Wie Russland verkackt

Militärische Perspektive. Für Dummies.

» Bereits in den ersten Wochen des Überfalls auf der Ukraine war auf Videos zu sehen, dass Helikopter kurz vorm Feuern nach oben zogen und die Raketen quasi ins Blaue schossen. Die Erklärung dafür ist, dass die staatlichen Rüstungsbetriebe keine Präzisionsmunition, also beispielsweise Raketen mit entsprechendem Zielsucher, mehr liefern können. Die Schießen einfach Pi mal Auge.

» Die am weit häufigsten eingesetzten Kampfpanzer sind T-72. Sie gehören auch zu den am häufigsten verkauften Kampfpanzern der Welt. Weil sie vergleichsweise preiswert sind. Und sie sind teilweise 50 Jahre alt.

Kusnetzow in der Inst: Rumpf rost, Dock rost, alles Rost.

» Der erwähnte Flugzeugträger Kusnetzow sollte 2018 überholt werden. Dann kam die Meldung, dass er auf Reede durch einen Kran beschädigt wurde. Die Fertigstellung wurde auf September 2022 gelegt. Offenbar ist er bis heute noch nicht wieder im aktiven Dienst. Er könnte eh nicht in der Ukraine einwirken, weil er gar nicht durch das Mittelmeer und die Dardanellen darf.

» Laut Meldungen aus verschiedenen Quellen haben die US-amerikanische Javelin und die deutsche Panzerfaust 3 einen verheerenden Erfolg. Dabei handelt es sich um Infanteriewaffen, die Raketen gegen Panzer abfeuern. Die langsamen, alten und schlecht gepanzerten Panzer Russlands sind diesen kleinen, modernen und leichten Waffen quasi schutzlos ausgeliefert. (Was die Diskussion um „schwere Waffen“ hinterfragt.)

» Inzwischen wurde das Flaggschiff der baltischen Flotte Moskwa (Slawa Klasse) versenkt und die nachfolgende Fregatte (Makarow) mindestens schwer beschädigt. Der Flugplatz auf der Krim wurde mit Präzisionswaffen angegriffen, wobei viele Flugzeuge zerstört wurden.

Man geht davon aus, dass Russland zu Beginn des Krieges 2840 Kampfpanzer hatte. Die Zahlen über die zerstörten gehen weit auseinander, je nachdem wie zuverlässig die Quelle ist, wie Panzer („tanks“) definiert wird usw.
Es ist glaubwürdig, dass 1200 gepanzerte Fahrzeuge nicht mehr „in action“, also im aktiven Einsatz sind. Hinzu kommen die Panzer, die von der Ukraine aufgebracht wurden. Alleine bei der großen Kehrtwende um Charkiw im Nordosten, wo nachgewiesen ganze Einheiten die Beine in die Hand genommen haben, sollen über 400 Panzer und noch mehr Fahrzeuge in ukrainische Hände gefallen sein.
Es ist realistisch anzunehmen, dass Russland über die Hälfte seines Kontingents verloren hat. Zählt man dann die Einheiten dazu, die nicht von den Grenzen abgezogen werden können, ist das Ergebnis vernichtend.

Leben in der Lage

Das sind nur ein paar Stichpunkte. Nur ein Einblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Gesamtaussage. Die Liste ist beliebeig fortzusetzen. Und man kann sie wöchentlich aktualisieren.

Ausgewertet: 1960er LKW auf dem Weg in die Ukraine

Zusätzlich dazu habe ich auf der Facebook Fanpage immer wieder aktuell Details erklärt. Beispielsweise, dass die 155. Marineinfanterie Brigade in der Ukraine eingesetzt wird, obwohl die eigentlich kurz vor Japan stationiert ist. Oder dass vor allem junge Menschen oder alte Säcke aus ethnischen Minderheiten mobilisiert wurden, die Metropolen St. Petersburg und Moskau aber unberührt bleiben. Oder dass Russland Drohnen im Iran kaufen muss. Oder dass vergammelte, alte LKW in die Ukraine geschickt werden, wie ich an Bildauswertungen nachweisen konnte.

Nochmal: Es macht keinen Sinn, wie bei einem Abzählreim zu summieren, wieviel jeder hat und über Zahlen zu diskutieren. Das Gesamtbild macht die Lage. Und die Lage ist dynamisch.

Und das Gesamtbild sagt: wer Kapazitäten hat und gut im Futter steht, muss nicht in einem Dreijahresvertrag 800 Panzer fit machen lassen, die vor über 70 Jahren entworfen wurden. Wenn er angeblich auf 22.000 Panzern sitzt.

Ich werde häufig nach meiner Einschätzung gefragt. Ich bleibe dabei, dass dieser Krieg vier Jahre dauern wird. Weil das System Putin gezwungen ist, dort immer weiter reinzubuttern. Ob es etwas bringt oder nicht. Der Erfolg in der Ukraine ist eng mit dem Bestehen des jetzigen Putinismus verbunden.
Einen Grund, diese Einschätzung ändern zu müssen, erwarte ich nicht von den Schlachtfeldern in der Ukraine, sondern höchstens aus dem Kreml.

Und diese Einschätzung hatte ich schon vom Februar an, aber vorsichtig. Seit dem Abbruch des Marsches auf Kiew ist das aber ziemlich deutlich. Und alle wirklichen Experten, die sich zu Prognosen hinreißen lassen, sagen das Gleiche.

Würde man mich am Tresen nach meiner Einschätzung fragen, würde ich antworten, dass es gar nicht scheißerer für Ivan laufen kann. Der Nachfolger – und in der öffentlichen Wahrnehmung maßlos überschätzte Erbe – eines ehemaligen Weltmacht-Imperiums hat die Hosen runtergelassen. Und versucht auf dem militärischen Niveau einer afrikanischen Diktatur mit Waffen von vor 50 Jahren gegen einen hochtechnisierten Militärkomplex anzukommen. Der bisher nur im Vorbeigehen geantwortet hat.

Was das international bedeutet, wäre genug für einen weiteren, langen Artikel.
Ich bin auch davon überzeugt, das Putin von seinen Opritschniki gar nicht richtig informiert wurde. Und jetzt um sein politisches Überleben kämpft. Was in Russland dem tatsächlichen Überleben gleichkommen dürfte.

Nein, Russland hät weder etwas zurück, noch ist da mit viel mehr zu rechnen.

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