Wie Russland verkackt

Militärische Perspektive. Für Dummies.

Es kommt immer wieder das Argument, Russland würde Panzer oder Truppen oder was auch immer zurückhalten. Ein Erklärungsversuch woran man erkennen kann, dass Russland grandios verkackt.

Immer wieder begegnen dem Nutzer Kommentare und sogar Blog-Beiträge und Videos, dass Russland noch viel in der Hinterhand hält oder gar Waffen zurückhält.

Solche Äußerungen kommen in der Regel von zwei Personengruppen. Zum einen von Putin-Trollen, Wutbürgern, Querdenkern und anderen Randexistenzen. Und zum anderen von Leuten, die selber keine Ahnung vom Militär haben. Oder zumindest nicht von dem, was für eine solche Aussage nötig ist.

Bevor jemand zankt: Meine Qualifikation findet man hier: curriculum-vitae
(Ich hatte versprochen das mal in Ruhe zu erzählen, dann wird das hier ersetzt.)

Viele Laien schnappen das dann auf und machen sich das zu eigen. Weil sie gefühlsmäßig urteilen.
Ich will das nicht herabsetzen. Ich möchte verdeutlichen, dass Krieg ein Handwerk ist. Keine Kunstform, denn Kunst ist konstruktiv und Krieg ist destruktiv. Aber es gibt Azubis, Gesellen, Meister und Akademiker. Es gibt Spezialisten, Fachleute und Dienstleister.
Es erscheint uns in unserer europäisch-friedlichen Wohlstandsverwahrlosung nur aus der Zeit gefallen, es als Kriegshandwerk zu bezeichnen.

Ich möchte nicht darüber diskutieren, wie viele Soldaten Russland und die NATO haben, wie viele Waffen geliefert wurden oder wie viel Geld wir haben. Denn genau das führt zu diesen theoretisierenden Sandkastendiskussionen.

Am Ende dieses Textes wird hoffentlich klar sein, warum man dafür keine Quellennachweise braucht. Oder zumindest, wo man sie findet. Denn viele Dinge sind völlig offen und ersichtlich. Und sie wurden von wirklichen Experten auch immer wieder erklärt. Nur entweder haben die Menschen nicht zugehört, oder ihnen fehlte die Basis, um es in eine Perspektive zu übersetzen. Oder Laien in Talk Shows erzählen Unfug, und die Menschen glauben ihnen, nur weil sie ja in Talk Shows sitzen.
Militärs denken nicht so, wie Spieler von Strategiespielen oder Leser von Geschichtsbüchern. Oder Sozialpädagogen.

Vereinfachte Vorstellungen sind zu einfach

Zwei Punkte sind für das Verständnis sehr wichtig.

Ein Staat hat nicht eine bestimmte Anzahl von Flugzeugen und Panzern und wenn die aufgebraucht sind, ist der Krieg zu Ende.
Ein Krieg mit einem anderen Land dauert Jahre. Und in der Zeit kann der Staat ausrüsten, nachrüsten, aufrüsten und Waffen kaufen. Wie wir im Falle Russlands und der Ukraine ständig lesen.
Wichtig ist also, welche Ressourcen ein Land hat. Und wie es Verluste ersetzen kann.

Viele der Waffen des zweiten Weltkriegs waren zu Beginn des Krieges nicht gebaut, teilweise nicht einmal entwickelt. (Panzerkampfwagen VI Tiger) Und viele der Waffen, die heute teilweise noch in Benutzung sind, wurden für den Korea- und Vietnam-Krieg überhaupt erst gebaut. (M113, Bell UH-1, Phantom)

Walkürenritt: Legendäre Szene aus Apokalypse Now. Bell UH-1, der „Teppichklopfer“ ist bis heute im Gebrauch.

Und zweitens macht es keinen Sinn, irgendetwas „zurückzuhalten“ oder „aufzusparen“.
Natürlich wird Russland nicht alle Truppen nach vorne werfen. Es muss Kräfte an der russisch-amerikanischen und russisch-chinesischen Grenze vorhalten. Und es wird sicher auch Kräfte an der NATO-Grenze bereithalten.

Aber darüber hinaus ist die Vorstellung absurd, neuste Waffensysteme würden zurückgehalten.
Stellen wir uns das für einen Augenblick vor: Ein flammneuer Panzer fährt in den Krieg. Dort kann er aufgrund seiner Überlegenheit vielleicht drei oder vier andere Panzer abknallen, bevor er selber getroffen wird. Der deutsche Stratege spricht hier von „wirken“.
Ein Panzer von 1970 wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit selber sofort abgeknallt, bevor er „wirken“ kann. Es ist, als würde er in einen Schredder geworfen. Die Vorstellung, den Gegner durch altes Gerödel erstmal mürbe zu machen („ermüden“) ist also quatsch. Denn letzteres ermüdet nicht.

Ein Krieg ist immer ein langes, dynamisches Geschehen.

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PrologAufgrund einer offenen Umfrage auf der Facebook Fanpage habe ich mich dazu entschlossen, diesen Artikel ohne Bezahlschranke bereitzustellen. Er ist auch auf der Steady Seite für Abonnenten erschienen. Walter Isaacson ist Geschichtsprofessor für Geschichte, ehemaliger […]