Von der Kunst Freiheiten zu nehmen

Ein Posting, die E-Zigarette, Benjamin Franklin und gut gemeiner Populismus

Das Exhalat

Kommen wir also zurück auf mein Posting.
Eine sehr neutrale Frage wäre also, wie viele Menschen überhaupt noch im Auto rauchen, wenn Kinder drinsitzen. Ich würde schätzen, das sind sehr sehr wenige. Umso weniger, da gerade Helikopereltern schwer angesagt sind.
Deshalb komme ich mit diesen Hintergründen zu dem Schluss, ein solches Verbot wäre bereits übergriffig. Die Kinder werden dadurch nicht in einem solchen Maße geschädigt, dass dafür ein neues Gesetz hermüsste.

Und nur um das einmal klar zu stellen: Würde das Rauchen, Dampfen und Essen aus Gründen der Verkehrssicherheit verboten, hätte ich das Posting nicht geschrieben und Sie müssten diesen Artikel nicht lesen.
Es geht ausschließlich darum, hier den Gesundheitsschutz vorzuschieben.
Doch selbst über ein entsprechendes Rauchverbot würde ich mich nicht weiter aufregen. Dann ist das halt so.

Mir ging es vor allem um Tabakerhitzer und E-Zigaretten. Und da ist ein weiterer, ganz entscheidender Faktor wichtig zu beachten:
Beim so genannten Passivrauchen hat man einen großen Teil der möglichen Schädigung dadurch, dass die Zigarette oder Zigarre ja weiter verglüht, wenn niemand daran zieht. Das findet aber bei E-Zigaretten und Tabakerhitzern nicht statt. Es kommt nur etwas heraus, wenn jemand daran zieht.
Man kann eine E-Zigarette auf einer Säuglingsstation liegen lassen, und nicht passiert. Und ein Tabakerhitzer würde irgendwann einfach ausgehen.

Und das bedeutet, dass man Rauchen und Dampfen im Auto völlig unterschiedlich beurteilen muss. Denn im Falle des Rauchens verteilt sich der Rauch kontinuierlich im Auto. Im Falle einer E-Zigarette und der Tabakerhitzer kommt aber nur das in die Raumluft, was der Nutzer netterweise bereits durch seine Lunge gefiltert hat. Das Exhalat.

Die Kommission für Innenraumlufthygiene hat „59 bis 86“ Dampfer in einem Raum stundenlang dampfen lassen. Die anschließende Messung hat gezeigt, dass der Gehalt der Raumluft unter diesen Hardcore-Bedingungen bei 0,07 mg/m3 Propylenglykol lag. Das ist ein Zehntel dessen, was der Richtwert eigentlich hergibt.
Der Nikotingehalt im Exhalat – also dem was ausgepustet wird – lag in einem anderen Versuch bei E-Zigaretten um das achtfache niedriger als bei Tabakzigaretten. Zumal in E-Zigaretten generell viel weniger drin ist als in einer Marlboro.

„Die E-Zigarette könnte jedes Jahr fünf Millionen Menschenleben retten. Mehr als an Aids, Malaria, Tuberkulose und Meningitis zusammen sterben. Die E-Zigarette könnte die größte medizinische Erfindung seit der Impfung sein.“

Prof. Dr. David Nutt, Psychiater und Psychopharmakologe, Berater der britischen Regierung, Tagesspiegel, 2014

Fassen wir zusammen:
Der reine Dampf der E-Zigarette und der Tabakerhitzer ist bereits exponentiell weniger schädlich als der Rauch einer Zigarette.
Doch selbst diesen Dampf bekommt ein Kind in einem Auto ja gar nicht voll ab. Sondern höchstens das, was der Nutzer mit seinen Lungen filtert. Einen Nebenrauch gibt es nicht.
Und das umgelegt auf die Erwachsenen, die überhaupt noch in Anwesenheit von Kindern oder Schwangeren im Auto konsumieren. Und das umgelegt darauf, ob diese Kinder überhaupt dauerhaft geschädigt würden.
Sie merken, wohin das führt.

Die Begründung eines Gesetzes

Der Staat müsste also abwägen. Den Eingriff in das sehr persönliche Umfeld von Bürgern, wie ein Verbot in Privaträumen. Und wie viele Kinder überhaupt dadurch geschädigt werden. Nicht vielleicht eventuell geschädigt, sondern effektiv geschädigt. Und das dürfte tatsächlich gegen null gehen.

Das Problem an der deutschen Rechtsprechung ist nun, dass ein Gesetz begründet werden muss. Und das ist ein weiterer Punkt, um den es in meinem Posting ging.
Denn der besagte Entwurf von Lauterbach zielt auf den Gesundheits- und Jugendschutz ab. Das macht ein Politiker, weil das immer geht wie geschnitten Brot. Keiner würde etwas gegen den Schutz von Kindern sagen.

Ich hatte nur einen kurzen Einblick darin, was öffentlich mit jemandem passiert, der auch nur den Hauch des Eindrucks vermittelt.

Der Sucker Punch der Gesetzschreiber

Wegen dieser ganzen Zusammenhänge habe ich in dem Posting geschrieben, dass es ein typischer Move ist, so etwas in einer Gesetzesänderung zu „verstecken“. Gerade die SPD bedient sich dieses Sucker Punchs gerne.

Das bedeutet, ein umfangreiches Gesetz soll geändert werden. In diesem Falle wegen der Freigabe von Cannabis.
Das bedeutet nicht, dass da ein Paragraph geändert wird. Sondern ein ganzes Gesetzbuch. Wer mag, kann sich solche Referentenentwürfe zu Gesetzesänderungen mal durchlesen. Die haben auch gerne mal einige hundert Seiten.

Irgendwo schreibt man dann eine kleine Änderung rein, die vielleicht nicht so gerne gesehen würde.
In diesem Fall wird also – sehr vereinfacht – gesagt: Freigabe von Cannabis. Die FDP und die Grünen sind dafür. Man ist also geneigt, dem zuzustimmen.

Wird aber ein kleiner Paragraf irgendwo auf Seite 153 beanstandet, müsste der ganze Entwurf wieder zurück und neu bearbeitet werden. Also müsste komplett neu verhandelt werden.
So sind einige vielleicht dazu geneigt zu sagen: Ok, drücken wir das jetzt durch und schlucken dafür die bittere Pille.
Denn, oh Wunder, gerade die Grünen und die FDP haben sich für eine strikte Unterscheidung von Tabak und den weniger schädlichen Alternativen stark gemacht.

Genau das hat die SPD mit der E-Zigarette bereits gemacht. Bei der Besteuerung, ausgehend vom Finanzministerium unter Olaf Scholz. Mit einer völlig absurden und fachlich inkompetenten Besteuerung, die viele kleine Vape Shops in den Konkurs getrieben hat. Die zumeist von Dampfern betrieben wurden, die Raucherinnen und Rauchern eine weniger schädliche Alternative anbieten wollten.

Die Tabakindustrie störte das nicht weiter. Deren Produkte stehen weiterhin an Tankstellen und in Kiosken, wo sie unter Missachtung des Jugendschutzes auch an Minderjährige verkauft werden. Ebenso wie die gerade gehypten Einweg-Dampfen (Disposables), die aber nicht mehr lange zu leben haben. Und die ebenfalls nicht von der Tabakindustrie kommen.
Gegen die Besteuerung läuft nach wie vor eine Verfassungsbeschwerde. Selbst wenn sie durchkommt, wird es für viele Arbeitsplätze zu spät sein.

Die Bundestagsreden vieler Politiker haben gezeigt, dass die keine Ahnung von dem haben, worüber sie da Entscheidung. (Mit dabei war u.a. übrigens der Schrodi der SPD, der gerade ein wenig ausgeflippt ist und so auch mal eine Titelstory hatte.)

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