Von der Kunst Freiheiten zu nehmen

Ein Posting, die E-Zigarette, Benjamin Franklin und gut gemeiner Populismus

Diskutiert habe ich schon immer gerne. Viel Zeit habe ich verschwendet, auf Social Media Debatten zu führen. Schon bevor es Facebook und Twitter gab. Heute sehe ich es als meine Lehrjahre.
Doch am Freitag habe ich mich zum ersten Mal wirklich persönlich über Kommentare unter einem Posting von mir aufgeregt.

Die Reaktionen waren deutlich populistisch. Aber nicht von Rechten, sondern von Menschen, die zu weiten Teilen glauben, das richtige zu tun, zu sagen und zu glauben.
Ich sehe deutliche Parallelen zu dem, was derzeit in der Gesellschaft passiert: Gräben werden gezogen, es gibt nur noch schwarz und weiß und die Populisten sind auf dem Vormarsch.

Deshalb habe ich das tiefe Bedürfnis, das Shitstörmchen aufzuarbeiten. Dies ist also ein sehr persönlicher Beitrag. Es ist auch Magengeschwürprävention.

Das Problem ist: Es ging eigentlich um die E-Zigarette. Was sicher wenige interessieren wird. Ich möchte diese Seite auch nicht für das Thema kapern.
Dennoch wird es nötig sein, das Posting und einige Reaktionen darauf zu besprechen. Denn nur dadurch wird verständlich, warum ich zu meiner Bewertung komme. Und wo ich das Problem mit den Reaktionen sehe.

Und nur, damit das gleich klar ist: Ich möchte Sie gar nicht von der E-Zigarette überzeugen. Dafür gibt es andere Stellen, an denen das weit mehr Sinn macht. Ich möchte erklären, warum ich diesen Populismus für gefährlich halte.
Folgen Sie mir unauffällig.

Das Posting

Ich war Fachjournalist für Tobacco Harm Reduction. Also für alles, was E-Zigaretten, Tabakerhitzer, Snus, Nikotin-Ersatz-Therapien und sowas angeht. Medien, Wissenschaft, Politik.
Ich war kein Reviewer oder Influencer im gebräuchlichen Sinne. Ich kann wohl sagen, dass ich in diesem Fachbereich zu den Top 5 der Content Creator im deutschsprachigen Raum gehört habe.

Ich habe an Symposien teilgenommen, mit Professoren diskutiert, bin ständig zu Messen und Podiumsdiskussionen gefahren, habe Studien und Medien zerlegt, habe mir in der Schweiz das Forschungszentrum von Philip Morris International angucken dürfen und so weiter. Ich denke, man darf mir da schon einige Kompetenz unterstellen.
Wogegen ich mich vehement wehre ist das Narrativ, ich sei von irgendwem bezahlt worden. Meine Finanzierung funktionierte über Anzeigenschaltung, wie bei jeder großen Zeitung. Ich bin und war redaktionell frei, das wurde inzwischen auch von einem Gericht so bewertet.

Mit diesem Hintergrund habe ich gestern folgendes Posting auf der Facebook Fanpage veröffentlicht:

„Wenn Lauterbach das Rauchen in PKW verbieten lassen will, ist das meiner Meinung nach bereits übergriffig. Da hat die gut bezahlte Anti-Nikotin-Lobby wieder ganze Arbeit geleistet.

Wenn er aber gleich E-Zigaretten und Tabakerhitzer verbieten lassen will, dann wäre er gut beraten, die Schädlichkeit von Dampf erst einmal nachzuweisen. Denn sonst könnte die Begründung „Kinderschutz“ vor einem Gericht komisch aufgefasst werden.

Das in einer größeren Gesetzesänderung wie dem Cannabisverbot einzuschleusen, ist ein typischer, diplomatischer Schachzug. Damit sollen die Gegenstimmen bei FDP und Grünen klein gehalten werden. Die das nämlich sehr viel differenzierter sehen dürften.

Und angelastet werden wird es sicherlich wieder der angeblichen grünen Verbotspolitik.
Typischer Move. Diplomatisch ganz weit vorne.

Ps.: Und bevor hier Diskussionen aufkommen… Das Exhalat von E-Zigaretten und Tabakerhitzern enthält weniger Schadstoffe als die Außenluft in Großstädten, durch die das Auto fahren könnte.“

Facebook Fanpage, 07.07.2023

Man kommt nicht dagegen an

Bei 218 Kommentaren in weniger als einer Stunde habe ich die Kommentarfunktion geschlossen. Weil kontinuierlich irgendwelcher Unfug kam, gegen den ich nicht mehr ankam. Diskussionen gibt es auch heute noch.
Ich weiß, dass der Kommentar für viele sicherlich einige Trigger enthält. Doch ich unterstelle, dass sie von der Materie wenig Ahnung haben und sich eine Meinung aufgrund dessen bilden, was ihnen seit Jahrzehnten von Medien eingetrichtert wurde.
Die meisten werden nicht einmal den Unterschied zwischen Rauchen und Dampfen kennen, geschweige denn, dass Dampf per se weniger schädlich sein muss.

Wie auf Kommando kamen dann die, die mir mangelnde Kritikfähigkeit unterstellten. Dabei wurde ich nicht kritisiert. Es wurde irgendetwas kritisiert, was die Leute glaubten, was ich vertreten würde.
Kommentatoren merkten an, dass sie einen Toxi-Schein haben. Der für die Beurteilung meines Kommentars so sinnvoll ist wie ein Angelschein. Eine Nutzerin diskutierte in mehreren Threads, dass man das Rauchen in Autos ja wegen der Verkehrssicherheit verbieten könne. Und so weiter.
Ein Elend.

Einer wollte gleich das Rauchen „immer und überall“ verbieten. Und auf den mehrfachen Hinweis, dass sowas doch eher einer Diktatur gleich, wurde ich mit „Schwurbelseiten“ verglichen.

Um es entgegen der Dramaturgie vorweg zu nehmen:
Die vielen „Kritiker“ glaubten herausgelesen zu haben, dass ich – überspritzt – das Rauchen in Anwesenheit von Kindern gut finde. Doch das ist derart absurd, dass es mich kommunikativ völlig überfordert, solche Grundsätzlichkeiten und Selbstverständlichkeiten überhaupt noch klar stellen zu müssen.
Wie so häufig. Wir sind in einer Zeit angekommen, in der man die selbstverständlichsten Dinge erst noch erwähnen muss.

Ich werde darauf zurückkommen. Zunächst ist es aber offensichtlich notwendig, das Posting durchzugehen. Der Trigger wegen.
Da müssen wir alle jetzt durch. Mir macht das auch keinen Spaß. Sie brauchen nicht mitschreiben, ist nicht prüfungsrelevant.

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