Krieg in der Ukraine: Prognose 23

Das Gesamtbild ist entscheidend

„Russland hat diesen Krieg bereits verloren“ ist sicher missverständlich. Aber es gibt immer mehr Anzeichen, dass sich im Frühjahr und Sommer dieses Jahres einiges in der Ukraine verändern könnte.
Für eine Lageeinschätzung im März 23 darf man nicht nur bewerten, was jetzt an der Front passiert. Denn derzeit ist es verdächtig ruhig.
Ein Versuch Hintergrund zu vermitteln.

General Mark Alexander Milley ist Chef des Generalstabes. Sozusagen der oberste Soldat der USA. Er war auch schon unter Obama stellvertretender Chef und wurde von Trump zum Chef gemacht. Er gehört also sicher nicht zu einer politischen Seite.

Anlässlich eines Treffens in Brüssel sagte er in der vergangenen Woche „Russland hat diesen Krieg bereits verloren.“ Das ist selbstverständlich politisch zu bewerten. Er erklärte, dass Russland sich international isoliert hat. Und seine Ziele nicht erreicht hat und sie auch nicht mehr erreichen kann.

Denn inzwischen ist deutlich, dass das Notwehr-Argument Russlands ein aufgesetztes war. Das Ziel der Putin Regierung war und ist die Ukraine unter Kontrolle zu bringen und Russland zu alter Macht zu verhelfen.

Das russische Motiv

In einer kürzlich veröffentlichten Dokumentation auf arte erklärt der ehemalige Präsident der EU Kommission José Manuel Barroso die gekränkte Reaktion Putins, nachdem Obama bei einer Rede 2014 sagte, Russland sei eine „Regionalmacht“ und bedrohe seine Nachbarn aus Schwäche, nicht aus Stärke.
Selbst der Spiegel titelte, Obama habe Russland verhöhnt. Obwohl die Einschätzung auf allen Ebenen außer der militärischen per Definition richtig war und ist.

General Mark Milley ist übrigens der gleiche, der von Wagenknecht und Schwarzer mehrfach instrumentalisiert und verkürzt zitiert wurde, unter anderem in ihrem „Manifest für Frieden“. Bis heute haben keine 800.000 Unterschrieben, seit der Kundgebung in Berlin sind keine 25% hinzugekommen. Und das obwohl die Plattform change.org nicht kontrolliert, wer unterschreibt.

Milley habe gesagt, der Krieg könne von keiner Seite gewonnen und nur am Verhandlungstisch beendet werden. Vom Verhandlungstisch hat er gar nichts gesagt, und er sprach ausdrücklich von der nahen Zukunft. Also dem nun vergangenen Winter.

Mit der Gesamtsituation unzufrieden

Will man sich also ein umfassendes Bild der Lage und der Aussichten machen, muss man im Grunde vollzeitlich die Meldungen von vielen Quellen verfolgen und auswerten. Dann könnte man auch gleich in seinem Wohnzimmer ein Lagezentrum einrichten.

Milley mit dem russischen General Gerassimov

Um es für Laien verständlich zu machen sollte man zunächst einen Schritt zurücktreten und sich die gesamte Situation anschauen, bevor man sich an die aktuellen Details begibt.
Und wenn man das tut, wird erst so richtig klar, was Milley und andere mit ihren Aussagen meinten.

In der ersten Phase eines Einmarsches wird der Angreifer versuchen, so schnell wie möglich neuralgische Punkte einzunehmen oder zu zerstören. Dazu gehört die Führung des Gegners und die Kommunikation.
Genau das haben wir im März und April des vergangenen Jahres gesehen. Zwar griff Russland hauptsächlich von südlichem und südöstlichem Gebiet aus an. Also vom Donbass und aus Richtung der Krim, wo sie bereits auf ukrainischem Territorium standen. Aber aus dem Norden und aus dem verbündeten Belarus sollte schnellst möglichst Kiew eingenommen werden.

Schon in der ersten Phase gescheitert

Das misslang hanebüchen. Kilometerlange Konvois stauten sich, weil Nachschub und Logistik nicht hinterherkamen. LKW blieben auf platten Reifen aus Sowjetproduktion liegen, die Soldaten erhielten kaum Essen. Und dieser Stau wurde von der Artillerie abgeschossen wie auf einer Kirmes-Schießbude.
Alle Experten waren schockiert. Die angeblich zweitbesten Streitkräfte der Welt waren plötzlich die zweitbesten in der Ukraine.

Im Nachhinein kann man das, auch durch Berichte von Gefangenen und der nachrichtendienstlichen Auswertung, vor allem auf zwei Faktoren zurückführen: Der auch im Militär grassierenden Korruption. Und der daraus resultierende Klarmeldung nach oben.
Man muss davon ausgehen, dass die oberste Führung ein falsches Bild von dem Zustand der Truppe hatte. Zusätzlich zu den eklatanten Fehleinschätzungen, die Ukraine würde sich nicht verteidigen, der Westen würde sich heraushalten und die Menschen würden die Russen mit Blumen begrüßen. Putin selber hatte solche Einschätzungen geäußert.

Marina Yankina, Leiterin der Finanzabteilung des westlichen Bezirks, fragte öffentlich wohin die Milliarden gegangen sind, die zur Instandhaltung des Militärs vorgesehen waren. Und fiel am 15. Februar aus dem 16. Sock eines Hochhaues in St. Petersburg. (Mehr zu der Todesrate russischer Eliten hier…)
Über die Vorgänge in Russland werden wir frühestens in 20 Jahren ein Bild bekommen, wenn überhaupt.

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