Krieg in der Ukraine: Prognose 23

Das Gesamtbild ist entscheidend

Riesiger Rückschlag im Nordosten

Nachdem dieser Blitzangriff höchstens zum Funkenschlag wurde, verlegte Russland bereits im März und April 2022 seine Truppen zurück nach Belarus, von da aus nach Russland und von dort aus wieder in den Osten der Ukraine. In dieser Phase wurden viele hochrangige militärische Führer Russlands ausgetauscht.

Nun griff Russland von Osten aus Richtung Charkiw an. Das hatte auch erst einmal Erfolg. Zum Zeitpunkt der größten Ausdehnung hatte Russland etwa ein Fünftel der Fläche der Ukraine eingenommen.

Dann holte die Ukraine zur Gegenoffensive aus. Zu dem Zeitpunkt wohlgemerkt noch ohne so genannte „schwere Waffen“ aus dem Westen. Anfang September 22 brach der gesamte Bereich um die Stadt Charkiw zusammen.
Russland ordnete einen Rückzug an. Zu der Zeit waren viele Soldaten aber bereits heillos auf der Flucht. Nach ukrainischen Angaben wurden weit über 1000 unbeschädigte Panzer und Fahrzeuge zurückgelassen. Was völlig glaubwürdig erscheint. Das Gebiet ist fast so groß wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg.

Erneut wurden viele in der russischen Führung ausgetauscht. Einige waren auch bereits getötet worden. Da sie aufgrund der Struktur der russischen Streitkräfte nah an die Front mussten und dort dann dem Artilleriefeuer der Ukrainer ausgesetzt waren.

In den vier besetzten Gebieten wurden Scheinreferenden abgehalten, um sie Russland einzuverleiben. Was selbst in Russland und von den Militärs kritisiert wurde. Da beispielsweise die Region Donezk nicht einmal ganz erobert war, geschweige denn unter Kontrolle.

Zweiter Rückschlag bei Cherson

Im November gelang es der Ukraine dann noch, den Angreifer im Süden bei Cherson auf die andere Seite des Dnepr zurückzudrängen. So eine natürliche Grenze ist militärisch sehr wichtig. Sie ist für Angreifer nur schwer zu überqueren.

Diese Situation ist im Grunde die gleiche, die wir auch heute noch sehen.
Und das wurde auch so prognostiziert. Denn auch im dritten Jahrtausend ist Krieg immer noch sehr von den Jahreszeiten abhängig. Beide Seiten haben die Zeit genutzt um sich einzugraben. Was recht wörtlich zu verstehen ist. Es wurden Schützengräben ausgehoben, bevor der Boden friert.

Das kann man auch in der obenigen Zeitraffer schön erkennen. Seit November, nach dem russischen Rückschlag in der Region Charkiw und dem Rückdrängen in Cherson tut sich nichts mehr.
Was wir derzeit ständig in den Medien lesen, Kämpfe in Bachmut und Wuhledar, sind im Grunde Geplänkel, die an der strategischen Situation wenig ändern. Aber irgendwas müssen die Medien ja schreiben.

Das bedeutet nicht, dass sie unwichtig sind oder dort keine Menschen sterben. Die beiden Namen sind zum Synonym für eine Knochenmühle der Russen geworden.
Der Vergleich mit Stalingrad hinkt. Denn in Stalingrad war ein Teil der Truppen eingeschlossen. In Bachmut hingegen wird immer wieder neues Menschenmaterial geschickt, das wie die Brandung am Wellenbrecher zerschellt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Orte nur von der Ukraine gehalten werden, eben weil sie dort exponentiell weniger Verluste als die Russen hat. Strategisch sind sie völlig unbedeutend. Die Medien geben meist einen falschen Eindruck. Selbst wenn Bachmut fällt, ist Russland Kiew lediglich einige wenige Kilometer näher.

Lagebild des ISW von gestern: Seit November hat sich kaum noch etwas getan.
(Die Blauen Gebiete wurden zurückerobert, die schwarz schraffierten wurden bereits vor dem Angriff russisch kontrolliert.
)

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