Social Media Soldaten – Absurder Zeitgeist

Nicht mehr meine Bundeswehr

Der gläserne Kämpfer

Ich kann gar nicht anders, als die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn ich sehe, was deutsche Soldatinnen und Soldaten heute alles auf Social Media veröffentlichen. Es lässt mich fassungslos zurück.
Nicht, weil ich ein alter Sack bin, der aus dem Kalten krieg kommt. Oder ein Kommisskopp. Eher das Gegenteil ist der Fall. Weil ich aufgrund meines Jobs weiß, was Computersysteme mit den Informationen aus dem Netz anfangen können. Und das Nachrichtendienste vor allem offene Quellen nutzen.

Wenn ich 2010 Windeln gegoogelt habe, bekam ich nicht nur Windelwerbung auf Facebook ausgespielt. Ich bekam sechs Jahre später Werbung für Schultüten und Füllfederhalter. Und das ist ein paar Jahre her. Inzwischen muss man das nicht mehr programmieren, inzwischen lernen Programme das selbstständig. Wer heute ein neues Auto googelt, braucht morgen günstige Tankstellen. Wer heute Kreissägen googelt, braucht morgen eine Prothese. Willkommen in Neuland.

Und ich sage es mal sehr deutlich, so wie ich es sehe. Bitte verstehen Sie mich richtig falsch:
Es sind meist irgendwelche Stabsoffiziere, überwiegend – aber nicht ausschließlich – Frauen, die einen „privaten Account“ führen. Auf dem sie auch Dienstliches veröffentlichen. Rechtanwältinnen und Pädagoginnen in Uniform, die in irgendwelchen Behörden sitzen und einer Front nie näherkommen werden als eine Kalibr fliegt.
Es geht meist gar nicht darum, dass sich irgendwelche Idioten als Rambo präsentieren wollen. Es geht um Werbung für die Bundeswehr. „Guckt mal, was ich für ein mündiger Bürger bin.“

Da frage ich mich doch, warum in Deutschland Webcams und Verkehrsüberwachungskameras über Autobahnen abgeschaltet werden, damit Russland nicht sehen kann, was hier an Material von wo nach wo verlegt wird. Wenn Bataillonskommandeure lustig Fotos von Logistik-Übungen auf Twitter posten.
Es ist absurd.

Nicht unintelligent, nur kompetenzlos

Ich halte die nicht für unintelligent. Ich halte sie nur für dämlich. Ich denke, sie haben keine Relation dazu, was aus den Daten ausgelesen werden kann und was sie da öffentlich breittreten. Was andere daraus sammeln und ablesen können. Da muss kein Mensch mehr am Rechner sitzen.
Und ich bin sicher, dies wird aus politischem Willen heraus geduldet. Denn Russland war ja offiziell der Freund. Und in einer Demokratie dauert das lange, bis eine Änderung mal nach unten durchsickert.
Wie die österreichische Psychiaterin Heidi Kastner schrieb: Die Dummheit hat aufgehört sich zu schämen.

Ich spreche einer Rechtsanwältin in irgendeinem Stab die Kompetenz ab. Und vielleicht sogar einem Kommandeur der Fallschirmjäger, der im Ausland stationiert ist. Nicht als ehemaliger Unteroffizier. Sondern als Bürger dieses Staates, der sich mit Kommunikation befasst hat. Und Nachrichtendiensten.

Ich muss dem zitierten Kommentator also widersprechen. Denn selbst ohne dieses Wissen wäre ich nie auf die Idee gekommen, Ende der 1990er in einem AOL Chat irgendwem zu sagen, was ich mache. Oder es 2007 auf meiner Netlock Seite zu posten.

Wie ich auf der Facebook Fanpage schon schrieb: Nur aufgrund eines Twitter Accounts konnte ich von einer solchen Stabssoldatin innerhalb weniger Minuten herausfinden: Name, Vorname, Dienstgrad, Datum der Beförderung, Einheit, Dienststelle, Aussehen, Nummer des Zimmers, Dienstposten.
Daraus kann man mit halb-offenen Quellen leicht Autokennzeichen und Wohnort herausfinden. Dazu muss man weder „hacken“, noch die Kaserne observieren. Hätte ich die entsprechenden Zugänge, die ich nur aus Desinteresse nicht (mehr) habe, könnte ich innerhalb eines Arbeitstages das Leben dieser Frau vor mir ausbreiten. Völlig legal.

Beim Einkaufen ausknipsen ist leichter

Unabhängig vom politischen Willen muss man sich doch streng wissenschaftlich und empirisch fragen, ob diesen Menschen irgendwer ins Hirn geschissen hat.

Das beziehe ich ausdrücklich auch auf die Politik.
Wenn die neue Verteidigungsministerin es zur Priorität erklärt Kindergärten in Kasernen zu schaffen, um den „Beruf“ attraktiver“ zu machen (von der Leyen, 2013), dann sind da doch Relationen abhanden gekommen.

Im politischen Versuch das Soldatentum gemäß Zeitgeist attraktiver zu machen, wird weder verstanden, dass „Familie gründen“ nicht die Priorität ist. Während die Truppe kaum genug Lappen hat, um die Rohre zu reinigen. Noch dass genau das vielleicht der Grund ist, warum Soldaten nicht mehr angesehen sind und deshalb kaum Nachwuchs kommt.
Das Problem ist nicht, ob ein 19-Jähriger keine Lust hat dauernd versetzt zu werden und mit Mitte 20 keine Familie Gründen zu können. Sondern darum, dass dieser „Job“ kein Prestige bringt. Wenn doch Menschen schon Polizisten bei Rettungsmaßnahmen anpöbeln, was werden die wohl von einer „Gleichstellungsbeauftragten“ in Uniform halten? Es geht um Achtung. Und die kommt nicht durch familienfreundliches Ambiente.

Wer einen Verwaltungsjob ohne Überstunden und mit gendergerechten Toiletten haben will, sollte Beamter werden. Nicht Soldat. Das ist nach meiner Erfahrung und vielen Unterhaltungen über 30 Jahre hinweg nicht die Erwartungshaltung der deutschen Bürgerinnen und Bürger an ihr Militär.

Nein, mein Unverständnis kommt nicht aus dem Kalten Krieg. Vielleicht nicht einmal, weil ich im Nachrichtenbereich war. Es kommt von einem tiefliegenden Unverständnis gegenüber der Offenheit von Menschen, die sich über Vorratsdatenspeicherung und die Überwachung der NSA aufregen, auf Social Media ihre Daten aber bereitwillig öffentlich machen.

In der Ukraine wurden ganze russische Einheiten ausgelöscht, weil Soldaten ihr Handy benutzt hatten. Auch in jüngster Vergangenheit wurden Menschen durch Nachrichtendienste ausgeknipst. (Einen kleinen Eindruck bekommen Sie hier…) Und die Autos russischer Kollaborateure gehen gerade hoch wie Ladyknaller.

Wahrscheinlich wird das erst ein politisches Thema, wenn mal ein paar Terroristen eine Stabsangehörige entführt oder einen Kommandeur beim Einkaufen ausgeknipst haben. Denn das wäre viel leichter als ein Bombenattentat in Mali, Litauen oder Polen. Es kostet nur wenig mehr Planungsaufwand als einen entführten LKW in eine Menschenmenge zu lenken.

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