Social Media Soldaten – Absurder Zeitgeist

Nicht mehr meine Bundeswehr

Am vergangenen Donnerstag habe ich einen kurzen Rant auf der Facebook Fanpage veröffentlicht. In dem ich mich zu den vielen Soldatinnen und Soldaten geäußert habe, die persönliche und sogar dienstliche Details auf Social Media veröffentlichen.
Ich lade zu einem Perspektivwechsel ein.

Ein Leser antwortete „Ich denke um die Gedankengänge von UM nachvollziehen zu können muß man im Nachrichten-dienstlichen Bereich gearbeitet haben.“ [sic]
Darunter gab ein anderer einige Beispiele, was so alles passieren kann.

Durch das Feedback wurde mir klar, dass vielen vielleicht gar nicht so bewusst ist, was die Probleme sein können.
Mein Fehler. Wenn es den Soldatinnen und Soldaten nicht klar ist, und offenbar vielen Politikern auch nicht, wie sollte es dann dem gemeinen deutschen Facebook-Nutzer klar sein? Also muss man es wohl erklären.

Bevor aber ein falscher Eindruck aufkommt, zwei Dinge vorweg:
Zum ersten sehe ich die nachrichtendienstliche Tätigkeit völlig unromantisch und unspektakulär. Ich will nichts dramatisieren oder mich selbst erhöhen, indem ich hier die Mär des Agenten breittrete. (Bond, Joey Bond) Das habe ich mehrfach versucht zu erklären.

Zum zweiten:
Nur weil ich paranoid bin, bedeutet das nicht, das keiner hinter mir her ist.

Was ist also meine Perspektive?

„Erst schießen, dann Fragen“

Ich wurde 1992 als Wehrpflichten vorzeitig gezogen. (Ich hatte bereits geplant, mich zu verpflichten. Sie waren schneller.)
Meine Einheit war ein Kampfpanzer-Bataillon östlich von Hamburg, nicht weit von der gerade abgeschafften deutsch-deutschen Grenze entfernt. Dieses Bataillon gehörte zu des KRK, den Krisenreaktionskräften. Die Ersten im Einsatz. Aus diesem Mindsetting kamen logischerweise meine Ausbilder. Ab Feldwebel hatten die meisten den Einzelkämpfer.

Die Streifen der Wache gingen mit Uzi. Nicht, weil sie damals die Standard-Waffe für Panzerleute war.
Was nur Leuten etwas sagt, die sich mit Waffen auskennen. Die Uzi ist eine Dampframme, aber sehr unsicher. Ich habe zur Ausbildung eine Demonstration gesehen, bei denen eine teilgeladene Uzi geworfen wurde: sie hat selbstständig das ganze Magazin von 32 Patronen entehrt.

Mit einer solchen Waffe Streife zu gehen wurde befohlen, wenn eine besondere Lage herrscht. Und die gab es. Alleine dadurch, dass es eine KRK war.
Hinzu kam, dass auf dem Standortübungsplatz ein Waffendepot der RAF gefunden wurde. Ein so genannter Erdbunker. Man wusste also, dass die Terroristen nicht nur diese Kaserne auf dem Schirm hatten, sondern bereits da waren. Nicht weit entfernt wurde kurz vor meiner Dienstzeit ein Hof aufgebracht, der als konspirativer Unterschlupf gedient hatte.
Man geht davon aus, das es bis heute dutzende solcher Depots gibt. Erst 2021 wurde eines zufällig durch Waldarbeiter gefunden, allerdings ohne Waffen.

In der Nacht zum 20. Januar 1969 drangen zwei Bewaffnete „Nicht-Terroristen“ in ein Munitionsdepot der Bundeswehr ein und töteten vier Soldaten. Dieser „Soldatenmord von Lebach“ war in meiner Einheit präsent. In der Wachausbildung wurden zwei Dinge vermittelt. „Erst schießen, dann Fragen“ und „Wache steht eh immer mit einem Bein im Knast“.
Wir haben gelernt das vorgeschriebene Anrufen („Halt, stehenbleiben!“), den Warnschuss und den ersten Schuss so schnell abzugeben, dass kaum eine Reaktion blieb.
Beides verstieß auch damals schon gegen Dienstvorschriften, heute würde es sicher zu einem Skandal führen.

Spione? Kenn ich.

Meine Fachausbildung absolvierte ich an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Keine 500 Meter von dem Ort entfernt, wo der Befreiungsversuch nach dem Olympia-Attentat 1972 so sagenhaft in die Hose gegangen war. Wobei 12 Menschen erschossen wurden. Nicht durch die Bundeswehr. Die Polizei war heillos überfordert. Das Militär wurde aus politischem Willen nicht eingesetzt.
Erst danach wurde die GSG9 gegründet. Noch 20 Jahre später wurden Palästinenser vom Mossad dafür ausgeknipst.

Meine Stammeinheit bei der Marine wurde später die Luftbildauswertung des Marinefliegergeschwaders 2. Wo ich allerdings vergleichsweise wenig Zeit verbracht habe. Ich war u.a. auch bei der NATO und bei übergeordneten Dienststellen, ebenso wie im „Wachzug“ im Objektschutz.

Einer meiner Zugführer war ein kleiner, gemütlicher Oberleutnant mit deutlich einsetzendem Wohlstandsbauch. Ein Fachoffizier, der sich vom Unteroffizier hochgearbeitet hatte. Das Gegenteil von dem, was man sich unter „Spion“ vorstellen würde.
Der war zuvor auch Mal in die Sowjetunion eingeschleust worden. Dort hatte er als Tourist getarnt Fotos von einem Minensucher gemacht, der der NATO zu dem Zeitpunkt unbekannt war.
Die Filme wurden wieder rausgeschmuggelt, das Minenboot haarklein ausgewertet.

Sein Vorgänger ist einer Venus in die Falle gegangen.
Als er morgens nicht zum Dienst erschien, versuchte die Einheit ihn zu erreichen. Der Militärische Abschirmdienst wurde informiert. Als man sich Zutritt zu seinem Haus verschaffte, war es leer. Auch die Möbel waren weg.

Er hatte offenbar über Monate vertrauliche Dokumente aus dem Stützpunkt geschmuggelt. Seine neue Lebensgefährtin hatte ihn „angeworben“. Später kam heraus, dass sie Jahre vorher gezielt auf ihn angesetzt worden war. Sie waren gemeinsam in die DDR geflohen. Idiotischerweise kurz vor deren Zusammenbruch. Meines Wissens wurde er später geschnappt und für einige Jahre verurteilt.

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