Warum Deutschland keine Panzer liefert

Politikerdeutsch aufgedröselt

Heute Morgen wurde ich auf der Facebook Fanpage danach gefragt, was jetzt mit deutschen Waffenlieferungen ist. Denn Deutschland hätte ja zugestimmt, Waffen direkt von der Industrie liefern zu lassen. Damit seien viele aber nicht zufrieden.

Was derzeit in den Medien abläuft ist recht typisch.
Will ich einen Artikel zu einer politischen Debatte schreiben, erkläre ich den Auslöser. Und dann fange ich Gegenstimmen ein. Dieser hat dieses gesagt und jene hat jenes gesagt. Das schafft häufig eine falsche Gewichtung.

Zudem werden viele Dinge gar nicht erklärt. Wodurch der durchschnittliche Rezipient nur diese Debatten mitbekommt, damit überfordert ist und sich eine Meinung bildet.
Das ist keine „falsche“ Berichterstattung. Die Redakteure lügen ja nicht. Vermutlich beabsichtigen sie das nicht einmal.

In diesem Fall ist es Bundeskanzler Olaf Scholz. Der nach Meinung einiger „zögerlich“ reagiert und der Ukraine dringend benötigte Hilfe verweigert. Und nun „droht“ die CDU/CSU mit einem Antrag im Bundestag. Ich frage mich, wo da die Bedrohung sein soll. Ich fände das gut, denn dann würden eben jene Details öffentlich diskutiert werden, die gerade untergehen.

Zunächst einmal ist der Bundeskanzler nicht für Waffenexporte zuständig. Er kann einen politischen Willen formulieren. Er kann auch beispielsweise dahingehend einwirken, dass Geld bereitgestellt wird. Ob und was exportiert wird ist aber Sache des Bundessicherheitsrates. Da sitzt auch Scholz, aber eben auch Politiker der FDP und der Grünen. Die ja für eine Lieferung von Waffen plädieren. (Habeck, Grüne; Lindner, FDP, etc.)
Es wird in den Medien also etwas an der Person Scholz festgemacht, was gar nicht in seiner alleinigen Verantwortung liegt.

Nach einer Konferenz mit Macron (Frankreich), Biden (USA) und Duda (Polen) hat Scholz gestern eine Pressekonferenz gegeben. (Bild oben) Das alleine bedeutet ja schon, dass Deutschland sich mit anderen abstimmt.
In dieser Erklärung hat Scholz gesagt, dass Deutschland bei Waffenherstellern angefragt hat, was diese zügig liefern können. Aus dieser Liste hat die Ukraine sich Waffen ausgesucht, die sie kaufen kann. Deutschland wird der Ukraine das Geld zur Verfügung stellen.

Diese Erklärung beinhaltet Aussagen, die man sich Satz für Satz genauer anschauen sollte.

Zunächst sagte Scholz, dass wir mit Waffenlieferungen aus den eigenen Beständen an unsere Grenzen kommen. Das ist mehr als nachvollziehbar. Denn man sollte ja nicht vergessen, dass Scholz gerade erst 100 Milliarden für die Bundeswehr versprochen hat. Das hätte die Regierung wohl kaum für nötig befunden, wenn unsere Verteidigung im Überfluss schwelgen würde.

Und Scholz sagte, die Fähigkeit „Deutschland und das NATO-Gebiet gegen einen russischen Angriff zu verteidigen, werden wir immer aufrechterhalten.“
Offenbar ist niemandem aufgefallen, dass er ganz konkret von einem russischen Angriff gesprochen hat. Es geht nicht um UN-Einsätze am Ende der Welt, sondern um die Verteidigung gegen Russland.

Welche Waffen geliefert werden können, sagte Scholz nicht. Das kann mehrere Gründe haben. Beispielsweise, dass die Ukraine sich noch nicht festgelegt hat. Oder dass es so lange wie möglich geheim bleiben soll. Er drückte sich auch merkbar schwammig aus bei der leicht stockenden Formulierung „…und auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann.“

Ich versuche mal aufzudröseln, was ohne Politiker-Deutsch und Twitter-Phrasen tatsächlich abläuft.

Die Ukraine will Waffen. Alle sagen Hilfe zu. Dabei geht es primär nicht um die Ukraine. Hätte ein anderer Staat als Russland die Ukraine angegriffen, würde man sie über die Klinge springen lassen. Den Menschen zu helfen kommt nach militärischen und geopolitischen Interessen.

Deutschland sagt jetzt, dass sie gerne helfen, aber nichts mehr haben, was sie abgeben können. Weil sie das Zeug brauchen, wenn Putin doch noch NATO-Gebiet angreift.
(Und während ich dies tippe, gibt der stellvertretende Bundeswehr-Generalinspekteur Generalleutnant Markus Laubenthal dem recht.)

Aber man bietet der Ukraine an, dass sie Waffen bei den deutschen Herstellern kaufen können. Und ich habe das Gefühl, das ist der Punkt. Deutschland will das Geld „zur Verfügung stellen“, geschenkt ist das aber wohl nicht. Das passt der Ukraine natürlich nicht. Deshalb poltert u.a. der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk wiedermal öffentlich rum, wir würden nicht genug tun.

Immer mehr wird nun der Begriff der „schweren Waffen“ benutzt. Gemeint sind damit Panzer.
Ganz abgesehen davon, ob wir sie haben oder nicht, wird dazu auch nichts weiter erläutert.

Hätte die Ukraine gerne:
Die deutsche Panzerhaubitze 2000

Bei einem Marder mag das gehen. Aber wenn ich mir dann überlege, dass wir der Ukraine die hochmoderne Panzerhaubitze 2000 hinstellen, weiß ich nicht, wie das funktionieren soll. Wollen die dann auch erstmal tausende Soldaten für Monate auf Lehrgang schicken? Und wer soll die ausbilden?
Für mich ist auch überhaupt nicht ersichtlich, warum die Ukraine genau diese deutschen Panzer jetzt brauchen soll. Ganz einfach, weil ich keine Ahnung habe, was andere der Ukraine schon liefern. Die USA liefert ja die ganze Zeit, auch Großgerät. (Transportpanzer, Hubschrauber, Haubitzen)
Die Überlegung, man müsste nur ausreichend Panzer schicken und die Ukraine könnte sich dann gegen eine Offensive der Russen auf offenem Feld stellen, ist ziemlich absurd.

Und genau so bewerte ich die Kritik anderer Politiker. Die das zum Anlass nehmen, öffentlichkeitswirksam die Regierung zu kritisieren, ohne das Ganze fachlich und sachlich zu hinterfragen. Es wird Innenpolitik betrieben, keine Sicherheitspolitik. Und die Medien melden es.

Da klabautert ein Anton Hofreiter von den Grünen heute Morgen herum, wenn wir nicht mehr liefern, wäre die Gefahr, dass der Krieg sich „immer weiter hinzieht“. Und je länger er sich hinzieht, umso größer werde die Gefahr, dass auch andere Länder überfallen werden. Da schmeißt man auch mal eben den „Dritten Weltkrieg“ rein.
Vielleicht sollte man dem Diplom-Biologen mal den Gedanken auf den Weg geben, dass fast alle Militärexperten derzeit von einem sehr langen Krieg und einem „frozen conflict“ ausgehen. Weil Russland nicht die Kraft hat, mehr rein zu pumpen. Geschweige denn andere Länder zu überfallen. Umso länger der Krieg in der Ukraine dauert, umso sicherer ist NATO-Europa. Das nennt man wohl Verzögern auf strategischer Ebene.
Mir persönlich müsste Hofreiter noch erklären, womit er gedenkt NATO-Gebiet zu verteidigen, wenn wir unsere eigenen Waffen jetzt verschenken.

Unterm Strich geht es bei der ganzen Debatte also eigentlich nur darum, dass Deutschland keine Waffen aus eigenen Beständen abgeben will. Mehr nicht.
Alles drum herum ist heiße Politiker-Luft, sind verklausulierte Phrasen und wenig erklärende Meldungen in den Medien.

Wie der pragmatische Rheinländer sagt: Dä Kopp is näher als dä Aasch.

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