Ukraine: Warum es keine Verhandlungen gibt

Eine Analyse

Die Front verläuft durch die Tankstellen

Die Front verläuft also nicht nur in der Ukraine. Zumal es in modernen Kriegen eh keine richtige „Front“ mehr gibt. Aber die Russen sind halt ziemlich vintage.
Die Front verläuft auch in den Börsen und Aktien, in den Banken und durch die Tankstellen.

Was das ganze erleichtert ist, dass unter Putin viele Konzerne wieder verstaatlicht wurden.
Wenn die Ölförderung laut russischen Angaben nach nur einem Monat Preisdeckel um 10% gedrosselt werden muss, bedeutet das unmittelbar 10% weniger Einkommen für Russland. Mindestens.

Wenn die T-90, die vorher angeboten wurden als angeblich beste Panzer der Welt, in der Ukraine zeigen, dass sie noch schlechter als die neueren T-72 sind, will die keiner mehr kaufen. Wenn dann noch die größte Panzerschmiede Uralwagonsawod damit beschäftigt ist, alte Panzer für den Einsatz fit zu machen, kommt kein Geld mehr rein.

Wenn mindestens ein Viertel der Flotte der staatlichen Fluggesellschaft Aeroflot ausgeschlachtet wird um den Rest am Fliegen zu halten, weil die Einzelteile für die Boeings wegen der Sanktionen nicht geliefert werden, findet auch kein Frachtverkehr statt. Und damit kein Handel und damit kein Steuereinkommen.
Wenn dann noch 71 neue Flieger für 2025 bestellt werden, können in der Zeit weniger Bomber gebaut werden.

Und das ist es, was Baerbock bei Ihrer Aussage sicher im Hinterkopf hatte, dass wir im Krieg mit Russland sind.
Selbstverständlich befinden wir uns längst im Wirtschaftskrieg mit Russland.

Eine simple Prognose

Und wenn man das alles bedenkt, ist eigentlich ziemlich naheliegend, wie es weitergehen wird.

Der Krieg in der Ukraine wird unvermindert weitergehen. Unvermindert im Sinne, dass der Westen immer mehr Waffen liefert und die Ukraine immer stärker wird. Russland dabei aber langsam ausblutet und immer schwächer wird.
Es wird nicht dazu kommen, dass die Ukraine große Siege erringt. Geschweige denn dass sie Russland aus dem Land schmeißt. Die Ukraine soll einfach nur Russland aufhalten können und müssen.

Auf der anderen Seite wird Russland immer weiter Ressourcen in den Krieg pumpen. Mit einem Kosten-Nutzen-Faktor, der unter dem der USA in Vietnam liegt. Die dort mehr Bomben abgeworfen haben, als im gesamten Zweiten Weltkrieg gefallen sind.
Doch die russische Führung kann nicht anders. Denn ein Misserfolg gefährdet ihr eigenes Überleben. Politisch wie auch physisch.
Der Putinismus hat sich selber in eine Ecke gedrängt. In die Ukraine einzufallen war vermutlich die beschissenste Idee des Jahrhunderts.

Vermutlich hatte Putin nicht die korrekten Informationen von seinen korrupten Bojaren. Man war ja auch sicher, die russischen Truppen würden mit Blumen empfangen werden.
Wichtig ist zu verstehen, dass eben nicht alles so einfach ist in Russland. Und im Spannungsfeld mit Belarus, der Wagner Gruppe, den Tschetschenen, dem Iran und China noch viel weniger.

Wenn die westlichen Analysten davon ausgehen, dass Russland ausreichend ausgeblutet ist, werden sie versuchen die Ukraine zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu überreden. Und dann werden sie der russischen Führung in Vermittlungen einen Ausweg zeigen. Wie sie sich gesichtswahrend zurückziehen kann, ohne aus einem Hochhaus zu fallen.

Nichts wird wieder, wie es war

Wie das ausgeht ist schwer zu sagen. Es ist auch möglich, dass die Ukraine das ausschlägt. Ich bin allerdings recht sicher, dass Russland keine Gebiete behalten können wird. Vielleicht macht man Putin nochmal die Neutralität schmackhaft. Bei angelegten Daumenschrauben, erst gestern haben die G7 eine weitere Verschärfung der Sanktionen beschlossen.
Genau das meinte der US-Generalstabschef Milley, als er sagte, Russland habe bereits verloren.

Denn Russland wird weiter bluten.
Wer glaubt, dass nach einem Frieden alles so wird wie es vor dem Februar 2022 war, der ist schlicht naiv.
Und wer nun glaubt, China würde da irgendwie einspringen, sollte sich mal mit der chinesisch-russischen Geschichte befassen. China distanziert sich immer weiter. Und die werden Russland schneller fallenlassen als heiße Pelmeni. (Oder Jiaozi.)

Die „Sicherheitsarchitektur“ Europas ist unwiederbringlich zerstört. Es wird längst eine neue aufgebaut.
Die beiden Haupteinnahmequellen Russlands sind weitestgehend verloren. Niemand wird mehr russische Waffen kaufen. Und immer mehr Staaten steigen aus russischen Energien aus. Zumal letztere ja eh bereits ein Auslaufmodell waren. Da das wachsende Umweltbewusstsein fossile Energien mehr und mehr wertlos werden lässt.

Kognitiv Teilmöblierte

Die Versteifung der öffentlichen Diskussion, befeuert von russischer Propaganda, auf Lieferung von „schweren Waffen“ ist also ziemlich vereinfacht. Damit Antiamerikanisten, Querdenker, AfD-Wähler und andere kognitiv Teilmöblierte leichter mit einstimmen. Das mit den Sanktionen ist aber auch furchtbar kompliziert, das passt nicht gut auf ein Demo-Plakat.

Russland befindet sich auf dem sicheren Weg von einem Schwellenland zu einem Entwicklungsland. Und das ist ausschließlich wirtschaftlich gemeint.
Es ist also möglich, dass ich von meinen geschätzten vier Jahren Kriegsdauer werde abweichen müssen. Weil Russland schon vorher blank dasteht.
Ich würde mich sehr gerne irren.

Nichts wird mehr so, wie es war. Das kurze Zeitfenster mit Russland als angeblichem Freund hat sich im Februar 2022 für lange Zeit geschlossen. Das ist längst ausgemacht.
Und keine Demo oder Kundgebung wird das ändern können. Russland hat selber dafür gesorgt.

Vermutlich die beschissenste Idee des Jahrhunderts.

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