Russlands Übernahme von Belarus

Russisches Strategiepapier geleakt

In der vergangenen Nacht wurden Nachrichten zu einem russischen Papier veröffentlicht. Es zeigt, dass Russland vorhat, Belarus Stück für Stück zu übernehmen. Heute berichten viele Medien darüber. Doch die Reichweite der Geschichte wird offenbar gar nicht verstanden.
Ein wenig Kontext.

Seitdem ich versuche die Vorgänge in der Ukraine zu erklären, versuche ich auch die russischen Motive zu erklären. Denn wir erinnern uns: Viele Menschen hatten vor einem Jahr nur die Erklärung Putin für durchgeknallt zu halten. Und daher umso mehr Angst, er könne einen Weltkrieg anzetteln.

Daher war es für mich eine Erleichterung in der vergangenen Nacht die ersten Meldungen zu dem Strategiepapier zu lesen. Diese Egozentrik sei mir erlaubt. Es fällt mir schwer, emotionsfrei zu berichten.

Denn das Strategiepapier schließt den Kreis und macht vieles vielleicht leichter verständlich. Und so viel leichter erklärbar.
Umso mehr wundert es mich, dass diese Meldung auf Social Media auf keine größere Resonanz stößt. Was ich mir aus der Erfahrung des vergangenen Jahres und vielen vielen Diskussionen nur so erklären kann, dass die meisten Menschen es nach wie vor nicht verstanden haben. Weil ihnen die Informationen fehlen.

Ein kurzer Ausflug in die Geschichte.

Das Reich der Rus

Das, was heute östlich von Polen liegt, war bis vor etwa 1000 Jahren ein Geflecht aus kleinen Stämmen, Völkern, Grafschaften, Herzogtümern. Ein Flickenteppich, wie es immer wieder auch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war. Das wir ja auch mühelos in unsere „deutsche“ Geschichte eingewoben haben, obwohl die Menschen sich damals sicher nicht als „deutsch“ bezeichnet haben. Denn das bedeutete etwas völlig anderes.

Daher ist es in diesem Kontext auch gut vergleichbar.
Auch die Germanen haben sich nie als Germanen verstanden. Und das heutige Deutschland war zu weiten Teilen von Kelten und später auch Slawen besiedelt.

Um die Blütezeit der Wikinger herum, also dem 8. Bis 11. Jahrhundert, sind Wikinger über die Flüsse in diese dünn besiedelten Gebiete eingewandert. Aber nicht um wie in England, Frankreich und Deutschland zu plündern, weshalb der Begriff „Wikinger“ hier falsch ist. Sondern um zu handeln.
Die Angelsachsen und „Wikinger“ kamen eher aus Dänemark, Deutschland und später Norwegen, die „Waräger“ im Osten eher aus Schweden.

Nach und nach haben sie die Macht und die „Oberschicht“ übernommen. Was ein sehr komplexer Vorgang war.
Diese Menschen nannte man Rus. Wie das alles genau abgelaufen ist, ist inzwischen Frage der Archäologie. Auch wenn aus dieser Zeit beispielsweise viele Birkenrindenurkunden erhalten sind.
Das Kernland, die Keimzelle dessen, waren die Kiewer Rus.

Danach kam es zu den Mongolenstürmen und das Gebiet wurde für mehrere Jahrhunderte besetzt. Im südlichen Teil formte sich die Goldene Horde, aber auch das ginge zu weit in die Details.
Erst danach entstand so etwas wie eine russische Nation, ein russisches Volk und ein russisches Bewusstsein. Das auf der Suche nach einer Identität war. So wie es viele Deutsche bis heute sind. Stichwort tausendjährige Geschichte und Multikulti.

Und in dieser Entwicklung tauchte dann Iwan IV. Wassiljewitsch auf, genannt Iwan der Schreckliche. Der mit den Bojaren, den niederen Adeligen, auf Kriegsfuß stand. Das alles führte zu einer Kultur, die bis heute tief in der russischen Seele verankert ist. Und für uns Europäer so schwer zu verstehen.

Die Dreieinigkeit der russischen Völker

Vorschau in neuem Tab

Nun gibt es zwei politische Ideen, die man kennen muss, um die Vorgänge im heutigen Russland verstehen zu können. Sie sind schon alt und wurden schon im Zarenreich diskutiert.

Die erste ist der Panslawismus. Er bedeutet den Zusammenschluss aller slawischen Völker unter einer Herrschaft. Also auch Polens und des Balkans. Sein bekanntester Vertreter ist Alexander Dugin, der auch im Kreml viele Anhänger hat.

Die zweite ist die Dreieinigkeit der russischen Völker. Die beinhalten nur den Zusammenschluss der slawischen Völker, die sich historisch auf die Rus berufen.
Beides kann man mit dem Nationalsozialismus vergleichen, der alle „germanischen Völker heim ins Reich“ holen wollte.

Das ist einmal Russland, das heutige „Stammland“. Doch das war es nicht immer. Moskau war – ähnlich wie Berlin – lange nur ein Dorf. Erst mit Iwan begann dort ein Ausbau. Und die heutige Wirtschafts-Metropole und Heimat von Putin St. Petersburg war lange schwedisch dominiert. Sie wurde erst 1706 mit zehntausenden Zwangsarbeitern errichtet und man sagt auf deren Knochen. Von Zar Peter dem Großen, die zweite Lichtgestalt der russischen Geschichte und der einzige männliche Russe mit dem Beinamen. Die dritte Lichtgestalt und einzige Frau mit dem Beinamen war dann Katharina die Große etwas später.

Kiew wurde immer als Zentrum der Rus gesehen. Und die Ukraine wurde als „Kleinrussland“ bezeichnet.
Der dritte im Bunde ist das heutige Belarus, das auch den Namen Weißrussland trägt.

Und genau diese Dreieinigkeit der russischen Völker bzw. des russischen Volkes (Триединый русский народ) wurde unter Putin gezielt wiederbelebt.

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