OSINT – Die neue Welt der Nachrichtendienste

Es ist doch alles offen

In einem vorherigen Beitrag habe ich OSINT erwähnt. Sofort kamen Fragen auf, was OSINT sind. Also auf die Schnelle:

Denkt man an Nachrichtendienste, haben viele „Geheimdienste“, „Spione“ und dunkle Parkhäuser im Kopf. Doch das war noch nie so wirklich richtig. Es war, wenn überhaupt, nur ein Bruchteil nachrichtendienstlicher Tätigkeit.

Zu den „Field Agents“, den so genannten Operativen, kamen ein Haufen von Schreibtischtätern. Deren Arbeit für Spielfilme und Thriller aber eher langweilig wären. Denn Informationen wurden schon immer zum weit größten Teil aus so genannten offenen Quellen bezogen. Persönlich gehe ich von locker über 90% aus.

Beispielsweise aus Zeitungsartikeln, die dann archiviert wurden. Viele kennen die Microfiche Geräte, in denen der Protagonist des Thrillers in einem Archiv alte Zeitungsberichte durchsucht. Einwohnermeldeamt, Unternehmensregister, all das zählt zu offenen Quellen.
Der Unterschied zwischen Nachrichtendiensten und anderen besteht lediglich darin, solche Informationen systematisch zu sammeln und auszuwerten. In irgendeinem Keller in London, Paris, Washington oder Pullach werden Akten über einen russischen Oligarchen liegen, die so gut wie keine wirklich geheimen Informationen enthalten.

Nicht nur das Internet hat das auf eine neue Stufe gehoben. Auch das Netz 2.0, in dem Nutzer ohne Fachkenntnisse Sachen veröffentlichen können, hat die Informationsflut exponentiell vervielfacht. Längst besteht die Arbeit auch darin, diese ganzen Daten überhaupt sortiert zu bekommen.

Es ist längst Geschäftsmodell von Facebook und Konsorten, dass sie Meta-Daten sammeln und verkaufen. Googel ich heute Rücksäcke in Online Shops und gehe dann auf Facebook, kann ich sicher sein, dass ich dort Werbung für Rucksäcke angezeigt bekomme.
Das wurde uns bereits in einer Fortbildung ende der 90er prophezeit: Suche ich heute nach Schwangerschaftstests, bekomme ich in sechs Jahren Werbung für Schultüten angezeigt.

Meta auf Meta

Poste ich ein Bild auf Social Media, weiß mein Handy wo ich bin. Das wird in die Meta-Daten des Fotos geschrieben. Und das hat in der Ukraine bereits mehrfach dazu geführt, dass die Ukraine genau wusste, wo die russischen Soldaten waren. Sie haben dann einfach mit der Artillerie auf die Koordinaten gezielt. Und häufig getroffen.

Das nennt man OSINT, Open Source Intelligence.
Wörtlich: Offene Quellen Nachrichtendienst; im Deutschen korrekterweise als Aufklärung bezeichnet.

Das ist im Grunde auch das, was ich auf kleiner Flamme mache. Ich werte solche OSINT aus, um dann darüber zu berichten oder Dinge zu erklären.
Bekannte OSINT sind beispielsweise das Institute fort he Study of War ISW, das wiederum selber solche offenen Quellen auswertet. Häufig Informationen von russischen MilBloggern. Oryx ist ebenfalls eine solche Seite. Bellingcat könnte man auch als solche bezeichnen.

Darüber hinaus gibt es inzwischen auch zivile Firmen, die ihre Informationen verkaufen. Das private Unternehmen Maxar verkauft beispielsweise seine Satellitenaufnahmen. Die es aber manchmal auch frei zur Verfügung stellt. Bekanntheit hat es vor allem durch die Bilder von Butcha erlangt.

Wir wissen gar nicht, wie viel wir wissen

Wie weit das geht an einem Beispiel: Als Waffen für die Ukraine durch Deutschland transportiert wurden, wurden Verkehrsüberwachungskameras abgeschaltet. Damit Russland nicht über diese offenen Quellen sehen kann, was wie wohin transportiert wird.
Zu Beginn des Krieges wurden Angriffe aus Riga in Lettland gemeldet. Es hat etwa drei Minuten gedauert, Live Bilder aus Riga zu bekommen um zu bestätigen, dass dort absolut nichts los ist. Ich konnte sogar die aktuelle Temperatur vermelden. Bond, Joey Bond.

Vor wenigen Tagen wurde berichtet, dass ein dänisches Patrouillenboot über 100 Fotos von russischen Schiffen über Nord Stream gemacht hatte. Das kam nur raus, weil die Zeitung „Information“ offiziell angefragt hatte. Veröffentlicht wurden die Bilder nicht, nur bestätigt.
Deshalb bleibe ich bei meiner Vermutung, die ich bereits kurz nach der Sprengung der Pipelines geäußert habe: Dass die längst wissen, wer es war.

Die Hersh Story, nach der angeblich die USA mit einem Flugzeug und mit Hilfe eines norwegischen Schiffes Nord Stream gesprengt haben, konnte alleine durch OSINT widerlegt werden. Denn die waren gar nicht da oder sie wurden verwechselt. Hätte auch Hersh prüfen können, hat er nicht.

Der Krieg in der Ukraine ist der am besten dokumentierte Krieg der Menschheitsgeschichte. Die Flut von Informationen ist schlicht atemberaubend. Alleine die Informationen aus den offenen Quellen sind so viele, dass beispielsweise ein einzelner Blogger wie ich mit der detailgenauen Auswertung schlicht überfordert ist.

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