Mallorca, Vergewaltigung, Staatsbürgerschaft, Dunning und Kruger

Ja, mich nervt es auch. Aber muss.

Ok, ok, ich lasse mich hinreißen. Ich äußere mich doch. Es ist noch früh und ich habe den täglichen Social-Media-bedingten Stresslevel von Genervt über Dummheit noch nicht erreicht.

Auf Mallorca sind sechs deutsche Touristen festgenommen worden, die einer Gruppenvergewaltigung verdächtigt werden. Das Opfer soll ebenfalls Deutsche sein.

Daraufhin trendete auf Twitter der Hashtag „Passdeutsche“, weil ausreichend Rechte, Nationalisten und Rechtspopulisten natürlich auf den Zug aufspringen. Denn einige Medien haben berichtet, dass die Festgenommenen Migrationshintergrund haben. Natürlich die Bild Zeitung ganz vorne mit dabei.

Die hat ihre Informationen aber auch nur aus der Spanischen Zeitung Ultima Hora, einer Lokalzeitung der Balearen.
Die nannte die Verdächtigen „manada alemana“, das deutsche Rudel. Das ist ein Bezug auf einen ähnlichen Fall in Pamplona, wo die Täter jedoch Spanier waren und sich selber „Manada“ nannten.

Von „Passdeutschen“ zu sprechen, erfüllt einen psychologischen Zweck: Sich von den mutmaßlichen Tätern zu distanzieren. Was sicher viele Menschen ebenso empfinden.
Darüber hinaus erfüllt es aber einen fremdenfeindlichen Zweck. Indem es Deutsche in zwei Klassen unterteilt. Doch das scheint vielen gar nicht bewusst zu sein, die diesen nationalistischen und fremdenfeindlichen Unfug reproduzieren oder unterstützen.

Mir meiner Schwäche bewusst, konnte ich natürlich meine Klappe nicht halten. Und habe ein Posting auf der Facebook Fanpage rausgehauen:

„Liebe Nationalisten und „Bio-Deutsche“,

die auf Mallorca Festgenommenen stammen aus NRW.
Bevor Ihr wieder was von „Passdeutschen“ faselt, sagt doch einfach, dass sie „NRW-Deutsche“ sind.

Als Rheinländer habe ich damit weniger Probleme als damit, dass Ihr Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft in Klassen unterteilt. Mein Kreuz ist breit genug und mein Selbstbewusstsein reicht, um das auszuhalten.“

Facebook Fanpage, 20.07.2023

Ich dachte, es sei selbsterklärend. War es offenbar nicht.
In kürzester Zeit hatte der Beitrag doppelt so viel Resonanz wie meine kurz zuvor veröffentlichte und recherchierte Erklärung zum Getreide Deal. Die – wie ich eigentlich dachte – weit mehr Interesse verdient. Alleine wegen der Arbeitszeit.
Aber so ist das nun einmal mit der Aufmerksamkeitsökonomie auf Social Media. Menschen sind so, Schwamm drüber.

Da dort aber die gleichen schwachsinnigen Narrative aufkamen („Die Medien verheimlichen das“, „Es sitzen überproportional viele Menschen mit Migrationshintergrund in deutschen Gefängnissen“, etc.), muss ich dann doch mal meine Perspektive dazu anbringen.

Staatsangehörigkeit vs. Identität

Was bedeutet die Aussage „Er ist Deutscher“?

Diese bloße Feststellung hat mindestens zwei Ebenen. (Eigentlich viel mehr.)

Die erste Ebene ist die Feststellung der Staatsbürgerschaft. Und da ist das deutsche Gesetz sehr eindeutig: Deutscher ist, wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat.
Dieses Gesetz, der §1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, wurde bereits 1913 geschrieben. Es steht aber auch im Grundgesetz, im Artikel 116.
Da steht weder etwas von Haarfarbe, noch von Sprache, noch von Religion. Und auch nicht von „Passdeutschen“.

Die zweite Ebene ist die Identität. Also das, wie Individuen sich selber und andere einordnen, unterscheiden und beurteilen. Und das ist ganz etwas anderes.

Jeder von uns wird ein Bild im Kopf haben, wenn man ihm sagt, er solle einen Deutschen beschreiben. Und würde man einen Test machen, würden viele verschiedene Beschreibungen dabei herauskommen.
Dabei geht es um Äußerlichkeiten, aber auch um solche Dinge wie Kultur, Sozialisation, Essen, Name, und so weiter.

Kinder von Deutschen, die im Ausland aufwachsen, werden sich selber nicht selten als Deutsche definieren. Und Türken, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und in die Türkei fahren, werden von anderen gerne als „Alman“, als Deutscher, bezeichnet.
Es sind also Fremd- wie auch Selbstzuweisungen.

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PrologAufgrund einer offenen Umfrage auf der Facebook Fanpage habe ich mich dazu entschlossen, diesen Artikel ohne Bezahlschranke bereitzustellen. Er ist auch auf der Steady Seite für Abonnenten erschienen. Walter Isaacson ist Geschichtsprofessor für Geschichte, ehemaliger […]