Der Getreide-Deal und worum es wirklich geht

Wirtschaftskrieg zwischen EU und Russland

Alle berichten. Doch irgendwie wird viel berichtet und wenig erklärt. Also versuche ich mal wieder auseinanderzuklamüsern. Für Dummies.

Meta: Ständig auf Medien zu schimpfen kann den Eindruck vermitteln, ich wolle alle Medien (aka. „Mainstream-Medien“) verteufeln und mich dadurch erhöhen. Das ist nicht der Fall.
Ich möchte die Mechanismen der Informationen darlegen, durch die viele einen falschen Eindruck bekommen.
Man kann alle Informationen finden. Doch dazu bedarf es etwas mehr Medienkompetenz und Zeit, welche die meisten Menschen nicht aufbringen können oder wollen.

In diesem Fall berichten sämtliche Medien über den ausgelaufenen „Getreide Deal“. Es wird berichtet wo die Gefahr ist, wer was wann dazu gesagt hat. Doch trotz langer Recherche habe ich keinen einzigen Beitrag gefunden, der die Hintergründe einmal kompakt und einfach darstellt.
Selbst der Namen der Bank, die im Epizentrum des Konfliktes steht, wird kaum einmal beim Namen genannt.

Also:

Was steckt hinter dem Getreide-Konflikt?

Die Ukraine ist flächenmäßig das größte rein-europäische Land und der größte Exporteur von Getreide. Doch Russland exportiert weit mehr Getreide.
Eigentlich geht es um alle möglichen Agrarerzeugnisse und Düngemittel, aber bleiben wir bei „Getreide“.

Nun erscheint es nachvollziehbar, wenn Russland die Ukraine von der Möglichkeit Getreide zu exportieren abschneiden will. Einfach damit sie kein Geld verdienen kann, das sie dann wiederum in die Abwehr des russischen Überfalls investieren kann.

Aber so einfach ist das eben nicht. Denn auch dieses „Abschneiden“ kostet ja viel Geld. Es ist mit einem enormen Aufwand verbunden. Raketen gibt es nicht umsonst.
Hinzu kommt, dass das ein international politisch dünnes Eis ist. Gespickt mit Fettnäpfchen. So will Putin sich gerne als Beschützer der armen afrikanischen und asiatischen Länder positionieren. Die ja wiederum gerne Waffen in Russland kaufen. Das sind aber genau die, die vom ukrainischen Getreide profitieren und teilweise sogar abhängig davon sind. Dreht er den Hahn einfach zu, kann das dazu führen, dass diese Länder sich von ihm abwenden. Syrien ist so ein Beispiel, aber auch der Iran. Von wo Russland wiederum seine Drohnen bekommt.

Es muss also mehr dahinterstecken.

Kommunikation der Banken

Bereits in der spätrömischen Zeit gab es so genannte Wechsel. Die wurden später von den Medici und den Fuggern groß gemacht.
Es ist einfach: Ein Kaufmann will im Mittelalter von Florenz nach Augsburg reisen, um dort Waren einzukaufen. Also ging er zu einer Filiale der Medici Bank, zahlte dort eine bestimmte Summe ein, und die stellten ihm dann einen Wechsel aus. Würde er auf dem Weg überfallen, könnten die Räuber nichts damit anfangen.

In Augsburg ging er dann zu einer örtlichen Filiale der Medici oder einer anderen Bank, die einen entsprechenden Deal mit der Medici Bank hatte, und ließ sich das Geld wieder auszahlen. Er konnte so einkaufen, oder die Waren sogar gleich mit einem Wechsel bezahlen.
Das Wichtigste war also die Kommunikation zwischen den Bankhäusern. Umso flexibler das für den Kaufmann war, umso eher war er dazu bereit, solche Wechsel zu nutzen.

Heute ist dieses Kommunikationssystem die SWIFT, die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Eine Gesellschaft mit Sitz in Brüssel.
Dieses Swift System nutzen über 11.000 Banken weltweit. Nicht Filialen, ganze Banken. Also fast alle.

SWIFT

Nun haben Europa, die USA, Australien, Japan und einige andere Länder Sanktionen gegen Russland verhängt. Diese haben sich seit 2014, sei der Annexion der Krim, immer weiter verschärft.
Banken wurde untersagt, Geld aus Russland anzunehmen. Doch da gäbe es ja eine Menge Tricks, um das zu umgehen.
Also hat man die meisten russischen Banken, die unter Putin inzwischen fast alle verstaatlicht wurden, aus dem SWIFT System ausgeschlossen.

Übersetzt auf das Mittelalterbeispiel bringt es dem Kaufmann nun nichts mehr, Geld in Florenz einzuzahlen. Weil er dafür in Augsburg nichts mehr bekommt. Und kein anderer Kaufmann würde einen Wechsel der Medici mehr annehmen, denn er ist außerhalb von Italien ja wertlos.

Natürlich finden sich immer noch Banken, die diese Sanktionen umgehen. Oder Staaten, in denen diese Sanktionen nicht gelten. Ähnlich wie beim Öl kann Russland noch mit seinem Getreide handeln. Aber es ist komplizierter und wird dadurch teurer. Und es würde ja niemand teureres und komplizierteres russisches Getreide kaufen, wenn er einfacher preiswertes ukrainisches Getreide haben kann.

Im Zentrum dessen steht die Rosselkhozbank (Россельхозбанк, Russian Agricultural Bank). Das ist die staatliche, russische Landwirtschaftsbank, über die große Getreide-Deals abgewickelt werden.
Und gegen die bestehen schon seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine Sanktionen. Sie ist aus Swift ausgeschlossen.

Es ist nicht so, dass das Getreide selber sanktioniert wäre. Gegen den Handel selber bestehen keine Sanktionen.
Die Folgen wurden dadurch deutlich, dass der internationale Preis für Getreide sofort gesunken ist, als die Ukraine exportieren konnte. Und Russland bleibt somit auf seinem Getreide sitzen.

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