Leserfrage: Hat die NATO die Friedensverhandlungen blockiert?

Und hat der ehemalige israelische Premier das wirklich so gesagt?

Ich wurde in den vergangenen zwei Tagen nun so oft danach gefragt, dass ich das jetzt trotz Zeitmangels einmal aufdrösle. Nur um meine Ruhe zu haben:
Hat „der Westen“ die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland blockiert? Und hat der ehemalige israelische Premier das wirklich gesagt?

Ausgangssituation

Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben immer wieder alle möglichen Verhandlungen stattgefunden. Dazu habe ich bereits eine Übersicht veröffentlicht (hier…) und der Volksverpetzer hatte bereits im Mai 2022 eine ausführliche Übersicht mit entsprechenden Quellen veröffentlicht. (hier…)

Seit dem Überfall fordern immer wieder verschiedene Menschen, man solle verhandeln.
Die russische Propaganda nutzt dies aus, um einen Spin einzubauen. Es wird das Narrativ verbreitet, „der Westen“ hätte die Verhandlungen blockiert.

Was an sich bereits unlogisch ist. Denn „der Westen“ ist sicherlich ein Interessensvertreter. Nimmt aber nicht direkt an solchen Verhandlungen teil. Das Narrativ bedient also das Bild der unheimlichen, geheimen Einflussnahme.

Bereits im März 22 gab es Vorverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Belarus und dann in Istanbul. Diese Verhandlungen scheiterten vor allem an der Weigerung Russlands, über die Krim zu verhandeln. Zu dem Zeitpunkt gab es das Angebot der Ukraine, sich per Verfassung zur Neutralität zu verpflichten und nicht der NATO beizutreten.

Die neue Erzählung

Seit etwa drei Tagen wird das Narrativ des Eingreifens durch den Westen durch eine neue Erzählung befeuert.

Mehrere Medien berichten darüber, der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett hätte gesagt, der Westen habe damals Verhandlungen blockiert, bei denen er vermittelt habe.

Die Quelle

Quelle dieser Behauptung ist ein fünfstündiges (!) Interview, dass Bennett selber auf seinem YouTube Kanal veröffentlicht hat. (hier…)

Die Erzähler

Über dieses Video wurde in vielen deutsch- und englischsprachigen Medien berichtet.
In fast allen Medien ist der Aufmacher, Putin habe Bennett versprochen Selenskyj nicht zu töten.

Üblicherweise ist die Menge der Berichterstattung kein Indiz für eine Richtigkeit. Mehrfach habe ich auf der Facebook Fanpage erklärt, dass Medien Meldungen von Agenturen kaufen. Und diese dann nicht mehr inhaltlich prüfen müssen. Das nennt man das Agenturprivileg.
Eine einzige Agenturmeldung, beispielsweise der Deutschen Presseagentur dpa, Bloomberg oder der französischen AFP kann also dazu führen, dass alle Medien mit einer Meldung voll sind.

Doch das bedeutet umgekehrt, dass nicht jede Meldung zwangsläufig anzuzweifeln ist, nur weil sie häufig berichtet wird.
In diesem Fall gibt es tatsächlich sehr viele Berichte, von denen viele eben nicht von Agenturen kommen.
Dass bedeutet, dass fast alle Medien, auch englischsprachige, bezüglich des Videos diese Aussage Putins für erzählenswert hielten.

Im deutschsprachigen Raum fanden nur zwei Medien die angebliche Behauptung Bennetts wichtiger, die NATO (oder „der Westen“) habe die Verhandlungen blockiert. Und das waren ausgerechnet die rechtspopulistische Berliner Zeitung, die im Google Ranking damit auch weit oben landet. Und die österreichische Exxpress, die der rechten ÖVP nahesteht und ein ausgemachtes Boulevard-Medium ist. Der eigene Slogan lautet „Für Selberdenker“.

Nur diese Gegenüberstellung reicht bereits aus, das Narrativ zumindest kritisch zu hinterfragen.

Ein weiterer Hinweis ist, dass dieses Video gerade einmal 191.000 Aufrufe hat. Was sicher keine realistische Zahl wäre, wenn Bennett eine weltweit derart relevante Information zu einem Krieg veröffentlicht hätte. Über das viele Medien berichtet haben.

Was Bennett wirklich gesagt hat, auf der nächsten Seite:

Aktuelles

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Wie Elon Musk in den Krieg eingriff

PrologAufgrund einer offenen Umfrage auf der Facebook Fanpage habe ich mich dazu entschlossen, diesen Artikel ohne Bezahlschranke bereitzustellen. Er ist auch auf der Steady Seite für Abonnenten erschienen. Walter Isaacson ist Geschichtsprofessor für Geschichte, ehemaliger […]