Forderung nach Verhandlungen: eine Liste

Populismus der friedliebenden Art

Immer wieder werden von westlichen Protagonisten Verhandlungen mit Russland gefordert. Beispielsweise medienwirksam durch Sarah Wagenknecht oder Richard David Precht.

Im Oktober 2022 veröffentlichte die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) eine Übersicht über die Positionen der Kriegsparteien. Zusätzlich dazu finden sich sehr leicht Medienmeldungen zu den Verhandlungen:

Juni 2014: Das so genannte „Normandie- Format“ wird gegründet. Daran Teil nehmen u.a. Poroschenko (Ukraine), Putin (Russland), Hollande (Frankreich), Merkel (Deutschland).
Es kommt zum Minsker Abkommen, das einen Waffenstillstand vorsieht. Weder die Unabhängigkeit des Donbass noch die Anerkennung der russischen Forderungen sind Teil des Abkommens, wie heute oft behauptet wird!
Der Waffenstillstand wird von vorn herein von beiden Seiten nicht eingehalten. Russland leugnet seine Rolle im Donbass (nimmt aber dennoch an den Verhandlungen teil). Dadurch sollte die Ukraine gezwungen werden, mit den Separatisten im Donbass zu verhandeln und diese implizit anzuerkennen.

Mai 2014: Die Trilaterale Kontaktgruppe wird gebildet, die von der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) moderiert wird. Dort Verhandeln Russland, die Ukraine und die Separatisten des Donbass sind regelmäßig anwesend.

2019: Russland beginnt systematisch, ukrainische Staatsbürger im Donbass und auf der Krim einzubürgern. Damit verstößt es gegen den Sinn sämtlicher Verhandlungen.
Das „Normandie- Format“ verhandelte bis Anfang 2022.

Dezember 2021: Nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan setzt Russland der NATO ein Ultimatum. Die Forderungen:

  • Keine Aufnahme neuer NATO Mitglieder
  • Abzug aller nuklearen Waffen der USA aus Europa (Hinweis: Auch europäische Staaten besitzen nukleare Waffen.)
  • Rückbau der militärischen Infrastruktur auf den Stand von 1997.
  • „Lösung der Ukraine-Frage“ ohne die Ukraine zu beteiligen.

Bis Februar 2022 wurde verhandelt, Putin wollte nicht von der Maximalforderung abweichen.

24. Februar 2022: Überfall auf die Ukraine
Alle bestehenden Verhandlungsformate waren damit beendet.

Forderungen Russlands (bis heute) zur Beendigung des Überfalls:

  • Kapitulation der Ukraine
  • Anerkennung der Krim als Teil Russlands
  • Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken im Donbass als unabhängig
  • Russisch als Amtssprache in der gesamten Ukraine
  • Neutralität der Ukraine
  • „Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ der Ukraine

28. Februar 2022: Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland im belarussischem Gomel

03. März 2022: Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland im belarussischem Gomel

07. März 2022: Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland im belarussischem Gomel

10. März 2022: Verhandlungen der Außenminister der Ukraine und Russlands im türkischen Ankara
Die Ukraine bietet im „Istanbuler Kommuniqué“ die dauerhafte Neutralität der Ukraine, Waffenstillstand, Klärung des Status der Krim und weitere Zugeständnisse an.

11. März 2022: Der Kreml lehnt das „Istanbuler Kommuniqué“ ab. Putin persönlich sagt dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi am Telefon, die Zeit sei noch nicht reif für eine Waffenruhe. Verhandlungen mit Selenskyj lehnt er ab.

17. Mai 2022: Seit den Gesprächen im März wird dauerhaft weiter online verhandelt. Die Ukraine kündigt die Waffenstillstandsverhandlungen auf, kurz darauf auch Russland.

22. Juli 2022: Durch Verhandlungen zwischen der Ukraine, Russland, der UN und der Türkei kommt es zum Getreide-Deal.

Es wurde mehrfach über die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergie-Agentur verhandelt, da Russland darauf bestand, die Inspektoren für das Kraftwerk Saporischschja müssten über Russland anreisen.

30.09.2022: Nach der Annexion von vier Gebieten in der Ukraine erklärt Putin, Russland werde keine Verhandlungen mehr über den Status dieser Gebiete führen.

Neben der Türkei gab es auch Verhandlungsbemühungen aus Israel, Südafrika und Italien.

Meine Einschätzung

Nach meiner persönlichen Einschätzung ist das, was Russland tut, sehr einfach und stringent.
Russland wollte der Ukraine von vorn herein einen Diktatfrieden zu ihren Bedingungen aufzwingen. Von diesen Maximalbedingungen ist es niemals abgewichen.

Verhandlungswille und Zugeständnisse werden als Schwäche interpretiert. Jedes solche Zeichen von Schwäche führte ausnahmslos dazu, dass Russland nicht entgegenkam, sondern im Gegenteil mehr forderte.

Jede öffentliche Forderung nach Verhandlungen halte ich daher für reinen Populismus.
Alleine schon, weil sie impliziert, es habe keine Verhandlungen gegeben. Und es würde Instanzen geben, die um jeden Preis einen Krieg aufrechterhalten wollten.

Schaut man sich die Fakten jedoch genauer an, sieht man, dass die Ukraine, die NATO, die Türkei, viele andere Interessensvertreter und letztlich auch die UN auf der Minimalforderung bestehen: Auf der Souveränität der Ukraine gemäß dem Völkerrecht.
So wie auch Russland die Ukraine 1991 anerkannt hat.

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