Leopard und Ukraine: Ein Crash-Kurs in Taktik

Wunderwaffe oder Hype?

Die alte Kampfführung der Russen

Nehmen wir zur Veranschaulichung einmal an, die Ukrainer haben eine Stadt besetzt, und die Russen wollen diese nun erobern.

Sie würden einfach mit den Schützenpanzern und Kampfpanzern in die Stadt hineinfahren. Denn die alten russischen Schützenpanzer sind nicht besonders gut bewaffnet. Und die Kampfpanzer sind nicht sehr wendig oder schnell, weder im Fahren noch mit der Kanone. Deshalb verwenden die Russen die Kampfpanzer so, wie sie eine Kanone ohne Panzer verwenden würden. Sie fahren in die Stadt, bleiben stehen und schießen dann um sich.

Genau davon gibt es viele Videos. Und das ist damit gemeint, wenn ich oder andere sagen, Russland führt Krieg wie vor 50 Jahren.
Das liegt einfach daran, dass sie keine besseren Waffen haben. Und sie deshalb auch so einsetzen wie vor 50 Jahren, als diese Waffen gebaut wurden. Und weil Russland immer auf Masse statt Klasse gesetzt hat, haben sie auch nie modernere Waffen entwickelt.
Der Westen entwickelt aber kontinuierlich modernere Waffen. Weshalb sich auch die ganze Taktik und Strategie völlig geändert hat.

Die Russen gehen nicht nach Bachmut
hinein und müssen sich drum herum kämpfen.
Foto: Institute for the Stdudy of War/
New York Times

Denn das Problem daran ist nun, wenn die Panzer in der Stadt sind, kann sich hinter jeder Ecke ein Spießgeselle mit einer Panzerfaust oder einer Rakete verstecken.
Und genau das ist auf den Videos zu sehen. Und genau deshalb hat Russland so unfassbar viele Panzer verloren. Sie wurden durch US-amerikanische Javelin, britische NLAW und deutsche Panzerfäuste abgeknallt wie die Tontauben. Und wenn irgendwo ein Stau entstand, weil der russische Nachschub nicht hinterherkam, haben die deutschen Panzerhaubitzen und die US-amerikanischen HIMARS erst recht Tontaubenschießen veranstaltet.

Erst bei dem derzeitigen Kampf um Bachmut scheinen sie schlauer geworden zu sein und lassen sich nicht in die Stadt locken. Die zwar ziemlich umzingelt ist, aber nach wie vor von der Ukraine gehalten wird.
So viel bringt die Erkenntnis aber auch nicht. Weil sie eben keine Alternative haben. Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus. Und deshalb dauert der Kampf um dieses eigentlich unwichtige Städtchen schon Monate. Mit enormen Verlusten für Russland.

Die neuste Strategie ist, dass sie Wagner Söldner oder Rekruten nach vorne schicken. Und wenn die Ukrainer auf die schießen, schießen die Russen mit der Artillerie in die Richtung, aus der die Schüsse kamen. Auch das ist auf vielen Videos zu sehen. Soldaten, die scheinbar orientierungslos und ohne Deckung vereinzelt und ungeordnet nach vorne laufen und dann erschossen werden.

Die moderne Kampfführung

Im Gefecht der verbundenen Waffen würde man nach „westlicher Strategie“ bauernschlau vorgehen.

Kampfpanzer und Schützenpanzer würden auf die Stadt zufahren. Die Kampfpanzer würden andere Panzer auf dem Weg dahin bekämpfen. Sie würden aber nicht in die Stadt hineinfahren.
Denn vor der Stadt würden die Infanteristen von den Schützenpanzern absitzen und zu Fuß in die Stadt reingehen. Möglichst gedeckt von den Kampfpanzern gegen andere Stellungen. Die können ja auch schon mal durch ein Haus durchschießen oder mit dem MG Salven raushauen.

Die Infanteristen würden sich dann von Haus zu Haus durchkämpfen. Und erst da, wo es sicher ist, würden die Kampfpanzer in die Stadt fahren. Um dann wiederum die Infanteristen nach vorne zu decken.
Das nennt man „überschlagendes Vorgehen“.

Dabei würden die Panzer möglichst immer in Bewegung bleiben. Damit die Artillerie nicht gezielt auf sie schießen kann. Und wenn sie schießt, würden sie das an die eigene Artillerie melden. Und die könnte dann die gegnerischen Kanonen aus der Entfernung ausknipsen.

Die Kavallerie muss reiten

Das ist natürlich nur ein Beispiel um das für Laien verständlich zu machen.
Es hängt auch sehr viel davon ab, ob sie genug Munition haben, ob sie genug Männer haben und ob die für diese modernere Art der Kriegsführung ausgebildet sind.
Aber ich bin nach einem Jahr Krieg inzwischen absolut überzeugt, würden sie das „Gefecht der Verbundenen Waffen“ so umsetzen, wie es die westliche Doktrin und Kriegskunst ist, hätten die Russen darauf absolut keine Antwort. Denn dieses Vorgehen würde da schneller durchbuttern, als die Russen Nachschub heranschaffen können.

Doch es kann eben auch nach hinten losgehen.
Nämlich dann, wenn sie die modernen Waffen genauso einsetzen wie die alten. Auch ein Leopard II ist auf einem Silbertablett serviert, wenn er in einer Stadt herumsteht. Denn dann muss nur ein russischer Spießgeselle mit einem Dosenöffner um die Ecke linsen, und das war es.

Da bringt dann auch alle Ausbildung an der Waffe und Training nichts. Bei dem Einsatz geht es um Taktik und Strategie. Das, was Napoleon oben auf dem Hügel befohlen hat und das, was die Führer in den Gruppen dann umgesetzt haben. Natürlich muss der Richtschütze schnell schießen können. Aber das nützt in einer Tiefgarage dann auch herzlich wenig.

Ein Paradebeispiel dafür waren die Leopard der Türkei. Die wie Katapulte auf Hügeln abgestellt wurden. Und dann natürlich abgeknallt wurden.
Die haben sich dann tatsächlich noch beklagt, die Panzer seien ja nix. Man hat ihnen aber sehr deutlich gesagt: Ne ne, Ihr müsst Panzer auch so einsetzen, wofür sie gebaut sind.

Der Spruch in meiner Grundausbildung war immer: Die Kavallerie muss reiten.
Soll heißen: Ein sich bewegendes Ziel ist schwer zu treffen. Und die Leopard sind verdammt schnell. Feuer und Bewegung.

Inzwischen wurde mir von verschiedenen Seiten versichert, dass auch die untere Führung strategisch und taktisch ausgebildet und in dieses Jahrtausend geholt wurde. Dass ihnen vermittelt wurde, dass sie solche Fehler nicht machen dürfen.

Wann immer mich also jemand fragt, ob die Leopard etwas in der Ukraine ausrichten können kann ich nur sagen: Keine Ahnung.
An den Leos liegt es sicher nicht.

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