Eine kurze Geschichte vom ukrainischen Nationalismus

Was ist dran, an der Entnazifizierung?

In den sozialen Medien wird immer wieder das propagandistische Narrativ von den Nazis in der Ukraine aufgegriffen. In Russland wird bis heute die Mär von der „Entnazifizierung“ der Ukraine gepflegt.
Aber das kann aus zwei Gründen einfach nur falsch sein.

Bevor wir uns die Geschichte der Ukraine ansehen, etwas Trennschärfe:
Nazis sind Nationalsozialisten. Menschen, die heutzutage Nationalsozialismus vertreten, sind Neo-Nazis.
Nationalsozialismus ist mehr als die Kombination von Nationalismus und Sozialismus. Weshalb das gerne verbreitete Argument, Nazis seien „links“ gewesen, auch Unfug ist. Das können nur Menschen behaupten, die entweder ungebildet sind, oder bewusst Rechtspopulismus und Propaganda verbreiten.

Nationalsozialismus ist ein ausgesprochen deutsches Konstrukt. Niemand würde Mussolini ernsthaft als Nazi bezeichnen. Und den spanischen Diktator Franco haben die meisten eh nicht auf dem Schirm. Geschweige denn Japan.

Zum Nationalsozialismus gehören untrennbar der Antikommunismus, der Antisemitismus, ein grundlegender Rassismus und ein Sozialdarwinismus. Letzteres bedeutet u.a., dass es in der nationalsozialistischen Vorstellung gutes und schlechtes Erbgut gibt und das bestimmte Ethnien anderen überlegen sind. Selbst wenn man mit „Ariern“ eine neue „Rasse“ erfinden muss.

Behalten wir das für einen Moment im Hinterkopf.

Die Ukraine im Ursprung

Während der Völkerwanderungszeit bildeten sich in der heutigen Ukraine verschiedene, sehr ähnliche Kulturen aus, die mit den Ostgoten in Verbindung stehen.
Unterscheiden muss man immer zwischen der Ost- und der Westukraine, denn das Land wird in der Mitte durch den Fluss Dnepr getrennt. Was in der späteren Geschichte öfter wichtig wird.

Trotzdem wurden die Ukrainer bereits im frühen Mittelalter als eigenständige Ethnie bzw. als eigenständiges Volk gesehen und verstanden.
Doch sie konnten nie einen eigenen Staat ausbilden. Wikipedia nennt alleine acht Staatsgründungen seit dem 9. Jahrhundert. Wobei da auch noch der Überfall durch die mongolische Goldene Horde weggelassen wurde.

Die Ukraine stand immer unter Fremdherrschaft. Teile davon, oder als Ganzes. Die von Norden einwandernden Rus bzw. späteren Kiewer Rus, Polen, Großrussland, wieder Polen und durch die Teilung des polnischen Königreichs fielen weite Teile an Österreich-Ungarn und das russische Zarenreich.

Man muss sich das verdeutlichen: Die Ukraine war zwar eine Form von Nation und ist heute der größte Staat Europas, aber es war 1000 Jahre lang durch die Gebietsansprüche umgebender Großreiche zerrissen.

Eine kurze Unabhängigkeit

In der Novemberrevolution wurde die russische Regierung 1917 gestürzt und das Zarentum in einem Wald bei Jekaterinburg beendet. Dadurch wurde die Ukraine selbstständig. Es bildete sich ein ukrainischer Rat aus Parteien, Bauernräten, Organisationen und so weiter. Man wollte einen ukrainischen Staat gründen: die Ukrainische Volksrepublik. Die überlebte nur wenige Monate.

Das Hin und Her des ersten Weltkriegs würde diesen Artikel sprengen. Letztendlich wurde die Ukraine sowjetisch und geriet erneut unter die Kontrolle Russlands, diesmal als Sowjetische Republik.

Der Völkermord

Ende der 1920er wurden die Bauern durch Stalin und die Kommunisten zwangskollektiviert. Was zu starken Verwerfungen führte, denn landwirtschaftliche Erträge wurden dazu verwendet, die Industrialisierung und Rüstung voranzutreiben. Und die fand in Russland statt.
Russland nahm also das Getreide der Ukraine, bis heute der größte Produzent Europas, brachte es nach Russland und baute damit den Staat aus.
Prinzipiell genau das, was inzwischen im Zuge des Krieges auch durch das putinistische Russland versucht wurde.

In den Jahren 1931 und 1932 kam es zu Missernten. Der Ertrag halbierte sich fast. Russland erhöhte jedoch die Abgaben sogar noch, ukrainische Bauern mussten fast die Hälfte ihres Ertrages abgeben. Im Grunde wurde dadurch das Getreide für die Ukraine auf einen Schlag auf ein Viertel reduziert. Die Folge war eine Hungerkatastrophe.

Damit die Ukrainerinnen und Ukrainer nun nicht flohen und damit das Agrarland brach ließen, oder womöglich nach Russland flohen und dort ernährt werden mussten, sperrte Russland die Ukraine ab.
Die Schätzungen gehen weit auseinander. Man geht allgemein von drei bis sieben Millionen Toten aus. Menschen verhungerten auf der Straße, es kam zu Kannibalismus.

Diese Vorgänge werden als Holodomor bezeichnet, als „Tötung durch Hunger“.
Am vergangenen Mittwoch hat der Deutsche Bundestag den Holodomor als Völkermord offiziell anerkannt. Die AfD und die Linke haben sich geschlossen enthalten.

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