Die endgültig wahre Wahrheit über Spione

Russische Aufklärung und Nähkästchen

Dä Schwatte in Peking

Der zweite Grund für den Niedergang dieses operativen Geschäftes ist die Technik.
Es ist nicht mehr nötig jemanden lange auszubilden, ihn in Sprachenschulen zu schicken oder über Jahre hinweg irgendwo einzuschleusen, wenn man Telefongespräche über den halbe Globus hinweg abhören kann oder den Standort von Menschen tracken kann, weil sie ihre Wanze in der Tasche haben (Handy).

Zudem waren diese operativen Mittel ja eh limitiert. Worüber man sich nicht so wirklich Gedanken macht. Ein 1,90 Meter großer Blonder, der fließend Farsi spricht, ist ebenso unverdächtig wie ein Schwarzer in Peking. Und wenn er „Peking“ sagt umso weniger, denn es heißt Bei-jing. Noob.

Ich selber war übrigens nur auf einer Sprachenschule, um NATO-Meldungen in der Amtssprache Englisch formulieren zu können. Und alleine das dauerte 6 Monate und danach Jahre der Übung. („WTF is a pit?“)
Kyrillisch habe ich nur gelernt, um Schiffsbeschriftungen und Nachschlagewerke lesen zu können. Die Transkription vom Kyrillischen über das Englische ins Deutsche ist mit einigen Stolpersteinen versehen. Cyka blyat.

Da ich inzwischen überraschend selten russische Schiffsnamen lesen muss, habe ich das inzwischen auch gründlich wieder verdrängt. Und wer bestellt schon Borschtsch, wenn er sich nicht in die russische Mafia einschleusen will? Bundeswehr: Da lernt man fürs Leben.
Wer Deutsch auf Latein übersetzen kann, werfe den ersten Stein.

Mit zwei Metern bin ich nicht einmal zum Kaufhausdetektiv geeignet. Ich kann mich höchtens bei rumänischen Fernfahrern einschleichen. Oder chinesischen Kugelstoßerinnen.
Operative sind auffallend unauffällig. Operative sind geboren zur Beiläufigkeit.

Deckname IM Thermo

Warum der britische, weiße James Bond (mit schottischem Akzent) im Französisch sprechenden Westafrika nicht auffallen sollte, habe ich schon als Jugendlicher nicht verstanden.

Darum ist es auch immer weiter in die Richtung gewandert, die wir vielleicht aus den Medien-Meldungen zum Verfassungsschutz oder Berichte über die Stasi kennen: Der berühmte Führungsoffizier.
Was nichts anderes bedeutet, als dass ein Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes einen Amateur dafür bezahlt, ihm Informationen zu geben.

Guillaume hinter Brandt

Das gibt es schon lange und zieht sich durch die Geschichte.
Der erste Informant war der Grieche Ephialtes von Trachis, Deckname IM Thermo, der 480 v. Chr. den Persern einen Weg über das Gebirge zeigte. Wodurch Leonidas die Schlacht an den Thermopylen verlor.

Der letzte „echte“ Spion ist meiner Meinung nach Günter Guillaume. Der über Jahre hinweg von der Stasi ins Kanzleramt eingeschleust wurde und dessen Enttarnung zum Rücktritt von Bundeskanzler Brandt führte.
Aber auch Guillaume sah selbst für die 70er schon aus wie ein untergroßer Hausmeister in einem Stangenanzug; und hätte sicher keine Runde auf der Hindernisbahn durchgestanden.

Die deutsche Version von Khaki

Den ersten Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes habe ich übrigens erst gesehen, als ich selber längst das war, was einige vielleicht als „Spion“ bezeichnen würden. Ohne mich je so gesehen zu haben. Er war deutlich über 50 und trug zu seinen Handschellen am Koffer Gesundheitsschuhe und eine braune Cordhose. Was das Pendant zu amerikanischen Khaki und Ray Ben sein dürfte.
Hätte man ihm einen Liegestuhl hingestellt, wäre er morgens um sieben gekommen und hätte sein Handtuch draufgelegt. Was eine Tarnung vermutlich schwierig machen würde.
Deutsche Spione enttarnt man, weil sie am Büffett in Thailand nach Brötchen fragen.

Klar, ein paar solcher Operative wird es sicher noch geben. Beispielsweise in einem so engen Umfeld wie Israel.
Ebenso wie die Akteure, die beispielsweise den ehemaligen russischen Geheimdienstler Sergei Skripal 2018 in England vergiftet haben. Aber das waren keine Spione wie James Bond. Sondern Soldaten, die dann als Geheimdienstmitarbeiter für so etwas geschickt werden. In dem speziellen Fall handelte es sich auch noch um einen Militärarzt.

Sowas ist sehr begrenzt. Und auch wenn es Antiamerikanisten enttäuschen mag: Mir ist spontan kein Fall bekannt, in dem so etwas durch die USA oder Großbritannien durchgeführt wurde.
Vor allem Russland fängt gerne abtrünnige Ehemalige durch solche Aktionen wieder ein.

Bemerkenswert ist der spannende Fall des Regenschirm-Mordes.
Sie müssen schon selber googeln, ich erwarte etwas Mitarbeit. Ist aber nicht prüfungsrelevant.

U-Boote an den Rüsseln erkennen

Persönlich schätze ich, dass deutlich über 90% der nachrichtendienstlichen Informationen aus offenen Quellen gewonnen wurden. Also aus Zeitungen, amtlichen Mitteilungen, Pressemitteilungen, Grundbucheinträgen und so weiter.

Und ich bin ja in den 90ern hängengeblieben! Es gab noch kein Social Media in der heutigen Form. Außer die 50-Stunden-AOL-CDs, mit den man totgeschmissen wurde. Wir hatten ja nix nach dem Krieg.
Mit Netz 2.0 dürfte das deutlich mehr geworden sein.

Der Unterschied ist, das systemisch und systematisch zu machen.
Die offene Internetseite Oryx wertet die Verluste im Krieg in der Ukraine nach solchen Fotos aus.

Ich selber habe bereits als Maat das Archiv meiner Stammeinheit neu organisiert. Geschätzte 30.000 Bilddokumente (Negative) zu ordnen, so dass man sie leicht wiederfinden konnte. Noch vor der Digitalisierung.
Ich konnte russische Kampfschiffe bis runter zu Korvette an Bildausschnitten erkennen. Man kann mich bis heute vollgesoffen nachts um zwei wecken und ich kann „Admiral Flota Sowjetskowo Sojusa Kusnezow“ sagen.

In einer anderen Einheit gab es einen Obermaat (niederer Unteroffizier), der Bilder der Schnorchel von U-Booten gesammelt hat. Der konnte tatsächlich die meisten U-Boote in Nord- und Ostsee daran identifizieren, welche Rohre aus dem Wasser guckten.

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