Wie Populismus funktioniert: Klima, China und Nuhr

Wenn aus Satire Manipulation wird

Häufig wird der Kabarettist Dieter Nuhr von Rechtspopulisten instrumentalisiert. Meines Erachtens nimmt er das bewusst in Kauf, wenn er rechtspopulistische Narrative reproduziert. Ein Beispiel.

Zwei Dinge vorweg.
Zum ersten halte ich Dieter Nuhr weder für einen Klima- noch Corona-Leugner. Oder was ihm sonst gerne angedichtet wird. Ich verwende ihn hier als konkretes Beispiel, weil er ein typisch rechtspopulistisches Narrativ benutzt hat. Das falsch ist.

Ob er politisch eher rechts ist, kann ich nicht beurteilen. Er kommt definitiv aus einem linken Umfeld, doch da drehen sich ja gerade viele in die andere Richtung. Vielleicht ohne es so recht zu merken. Die Welt ist halt verwirrend, wenn der angeblich antiimperialistische Freund von früher plötzlich gewaltsamen, nationalistischen Neo-Imperialismus betreibt.

Ich kann es nicht beurteilen, weil ich mir diesen Unfug nicht angucke. Kabarett-Sendungen im Öffentlich-Rechtlichen haben inzwischen den Status von „Einer wird gewinnen“ in den 1970ern. Es wird in eben jenen Dosen kritisiert, welche die biedere Zielgruppe in seiner Wohlfühlzone akzeptiert. Und das ist bei Nuhr nun einmal eine ganz bestimmte Klientel. Im warmgefurzten Fernsehsessel gibt es kein Rock ’n’ Roll. Man ist zu denen geworden, die man früher für öde hielt.
Sei’s drum. Seitdem mir Somuncu erzählen wollte, die Ukraine könne den Krieg nicht gewinnen, sind diese Unterhalter bei mir eh unten durch.

Zum zweiten einigen wir uns bitte auf eine Definition.
„Populismus“ kommt vom lateinischen „populus“, dem Volk. Er hat die gleiche Herkunft wie der Pöbel. Das bedeutet nicht, dass etwas im Sinne des Volkes politisch umgesetzt wird. Wie ausgerechnet Rechtspopulisten es gerne selbstwertdienlich verdrehen.

Populismus bedeutet, einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu finden. Oder wie Wikipedia sagt: „Charakteristisch ist eine mit politischen Absichten verbundene, auf Volksstimmungen gerichtete Themenwahl und Rhetorik. Dabei geht es einerseits um die Erzeugung bestimmter Stimmungen, andererseits um die Ausnutzung und Verstärkung vorhandener Stimmungslagen zu eigenen politischen Zwecken.“

Für mich persönlich beschränkt sich Populismus aber nicht darauf, einen eigenen politischen Zweck zu verfolgen. Bedient jemand in dieser Art ein Publikum, um dadurch einen Eigennutz zu generieren, ist das für mich ebenfalls Populismus.

Was darf Satire lassen?

In seiner Sendung „Nuhr im Ersten“ hatte Dieter Nuhr am 30. März, also vergangene Woche, mal wieder etwas zu Klimaprotesten zu sagen. Ein gern genommenes Thema, das von der Zielgruppe dankbar angenommen wird. Obwohl es medial gar nicht mehr so präsent ist.

Ohne es länger ausführen zu wollen unterstelle ich vielen Menschen, dass sie sich durch die Klimaproteste in ihrer persönlichen Freiheit bedroht fühlen. Und der Mensch hat auf eine Bedrohung nur zwei mögliche emotionale Reaktionen. Aggression oder Flucht. Deshalb ist das für einen eher populistischen Satiriker ein leichtes Thema. Die Mehrheit wird begeistert einstimmen, wenn man sich über Klimaproteste lustig macht.

Im Grunde findet alleine dadurch bereits eine Umdeutung statt. Denn das Kabarett hat sich ja eigentlich vor allem auf die Fahne geschrieben, gesellschaftskritische Satire zu betreiben. Doch das findet bei diesem Thema ja nicht statt. Es wird weder kritisiert, dass Menschen ihre Freiheit bedroht sehen, weil sie Freiheit mit materiellem verbinden. Noch wird die Politik kritisiert, die es seit Jahren nicht schafft, die eigenen Zusagen umzusetzen.

Es wird eine Minderheit kritisiert. Und nebenbei wird der Mehrheit, nämlich dem öffentlich-rechtlichen Publikum, implizit der Eindruck vermittelt, sie seien die eigentliche Minderheit, die sich gegen den „Klima-Wahnsinn“ verteidigen müsste. Oder gegen Gendern. Oder F4F. Oder Wokeness. Oder sonstwas.

Rechtspopulistisches Narrativ: Aber die anderen…

Um seine Punch-Line, seinen Gag anbringen zu können, zeigte Dieter Nuhr eine Grafik der Website ourworldindata.org. („Ich habe das mal rausgesucht.“)
Darauf zu sehen ist der jährliche CO₂ Ausstoß nach Staaten. Zu sehen sind die Graphen von Deutschland, den USA und China. Nuhr kommentiert das unter anderem mit „Das hier unten sind wir, das können Sie wahrscheinlich kaum sehen.“ Und dann kommt der eigentliche Gag:

„Das hier oben ist China. Das ist eine Parabel, die fast senkrecht nach oben geht. Und deshalb schlage ich persönlich vor: Wer sich festklebt, macht das ab sofort nicht mehr in München oder Berlin, sondern in Beijing und Shanghai.“

Dieter Nuhr, Nuhr im Ersten, 30.03.2023

Begeisterter Applaus.
Er beschwichtigt dann nochmal, er halte den Klimawandel für ein gravierendes Problem, aber…

Stellt sich also die Frage, wozu die populistische Manipulation?

Nicht gemerkt?
Ihnen wurde gerade ein rechtspopulistischer Narrativ untergeschoben. Nicht nur inklusive Paralogismus, syllogistischem Fehlschluss, Conjunction Fallacy… nur um hier mal mit Fremdwörter-Dropping auf schlau zu machen. Sondern auch tatsächlich gezielt manipulativ.

„Warum sollen wir was machen, da sollen doch erstmal die anderen…“
„Ja, Rüdiger-Irmgard, et is ja joot. Mach Fenster auf Kipp, brauchst Sauerstoff.“

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PrologAufgrund einer offenen Umfrage auf der Facebook Fanpage habe ich mich dazu entschlossen, diesen Artikel ohne Bezahlschranke bereitzustellen. Er ist auch auf der Steady Seite für Abonnenten erschienen. Walter Isaacson ist Geschichtsprofessor für Geschichte, ehemaliger […]