„R.I.P Deutschland !“– Ein Debriefing

Die wahre Ablehnung der Political Correctness

„Menschen mit unheilbaren Erkrankungen und einige mit nur noch wenigen Monaten zu leben… Fit für die Arbeit!!!“

Muss ich den Unfug echt noch kommentieren?

„Sie lassen unsere Rentner obdachlos und hungrig werden, aber geben Millionen für ausländische Hilfe aus !!!“

Schön zu sehen ist, wie der unbekannte Autor sich zusehends in den inflationären Gebrauch von Satzzeichen hineinsteigert.
Eine Rente bedeutet, dass man regelmäßig etwas einzahlt, und dann irgendwann das eingezahlte Geld mit Zinsen ausgeschüttet bekommt. Kann man bei jeder Bank abschließen.
Die Zahlen und Statistiken sagen sehr klar, dass „unsere Rentner“ ein weit höheres Einkommen haben, als ich es haben werde. (Siehe Generationenvertrag)
Wenn Rentner hungern oder obdachlos werden, dann liegen in fast allen Fällen psychosoziale Hemmnisse vor. Das ist gut beforscht und dokumentiert.
Und wer sind schon wieder diese „Sie“? Millionen ans Ausland werden üblicherweise durch Kredite finanziert, an denen Deutschland sehr gut verdient. (siehe Griechenland) Entwicklungshilfe ist völlig normal. Das ist eine Neiddebatte. Hilfst Du den Armen nicht, kommen die Armen eben zu Dir. Das ist die unabwendbare Realität von Migration.

„Man entzieht den Menschen das Wohl, macht sie so verzweifelt, dass sie nicht mehr wissen wie es weiter gehen soll und Selbstmord begehen !!!“

Da gebe ich dem Unbekannten insoweit Recht, dass es immer mehr Menschen gibt, die mit der Eigenverantwortung und einer immer schnelleren und komplexeren Welt so überfordert sind, dass sie depressiv und suizidal werden. Doch die Lösung kann ja nun nicht sein, wieder eine Diktatur wie unter den Nazis oder der SED einzuführen, damit man jeden Scheiß dem starken Staat überlassen kann.

„Man beugt sich nach hinten um politisch korrekt zu sein !!!
Zu viel Angst um zu sagen, genug ist genug !!!
Ihr beschreibt die Realität mit Lügen!“

Nicht politisch korrekt zu sein bedeutet auch, solche populistischen Texte wie diesen zu analysieren und den Menschen Ursache und Wirkung aufzuzeigen. Was aber eben jene Klinetel, die solche Texte verteilt, nicht hören will.

„Harte Arbeit wird mit gigantischen Steuern belohnt!“

Noch nie gab es ein Deutschland, in dem nicht über Steuern gejammert wurde. Tatsache ist, die Steuern in Deutschland sind nicht „gigantisch“. Sie sind ungerecht verteilt, kein Zweifel. Dank über einem Jahrzehnt unternehmensfreundlicher, konservativer Politik.
Aber die Steuern sind in den skandinavischen Ländern weit höher. Und die stehen seit Jahren ganz oben auf dem Glücksindex. Die Frage ist also, was man für die Steuern bekommt.

„Sicherheit/Klima sind die meistgenutzten Worte, um uns einzuschränken, unser Geld aus den Taschen zu ziehen, und uns zu zwingen, unsere Lebensweise an Ihre Standards anzupassen!!!“

Schön dass dem Autoren das mit dem Leerzeichen vorm Satzzeichen wieder eingefallen ist.
An wessen Standards soll ich meine Lebensweise anpassen? Wer ist schon wieder dieses Ominöse Feindbild?
Sind das die, die einen vegetarischen Tag in der Kantine vorschlagen? Sind es wirklich „ihre Standards“, oder sind es schlicht die Gegebenheiten und Realitäten?

„Man erhöht das Rentenalter, damit die Leute arbeiten müssen bis sie fallen!“

Tatsächlich gehen die meisten bereits früher in Rente. Das reale Renteneintrittsalter liegt bei 64,1. Bei einer Erhöhung würde sich das nur marginal ändern. Es geht also eher darum, dass der Banker und die Versicherungsfachangestellte länger arbeiten kann, wenn sie es können. Hinzu kommt, dass wir immer später ins Berufsleben einsteigen. Das Durchschnittsalter liegt inzwischen bei deutlich über 20, während mein Vater noch mit 15 in die Lehre ging und ich mit 16 angefangen habe zu jobben und mit 19 aus der Bude war. Das muss bezahlt werden.

„Menschen sind auf Almosen und Lebensmittelspenden angewiesen, während Sie anderen helfen.“

Das ist im Kern richtig. Die Gründe dafür würden hier jedoch jeden Rahmen sprengen. Über ein Drittel der Hartz IV- Empfänger sind alleinerziehende Eltern, nur um mal eine Idee zu geben.

„Unsere Rentner Generation rechnet mit der Rente, auf die sie Anspruch haben und dafür sehr lange gearbeitet haben und müssen im hohen Alter was eigentlich nicht geht, arbeiten gehen bis 70.
Dass sind die Almosen der heutigen Rente, die sie heute erhalten, das ist der Dank für ihre jahrelange harte Arbeit !!!“

Es ist kein „Dank“. Es ist die Auszahlung dessen, was sie eingezahlt haben. Und worum sie sich jahrzehntelang hätten kümmern können.
Nur dass es umlagefinanziert ist. Mit dem, was heute an Rente einbezahlt wird, wird die Rente derer bezahlt, die jetzt in Rente sind. Den Effekt habe ich bereits erklärt: Weniger Einzahler, weniger Einzahlung durch spätere Erwerbstätigkeit, längerer Rentenbezug durch längere Lebenszeit.

„Diese Fälle und Zustände müssen sich grundlegend und dringend ändern !!!“

Ja, da muss ganz viel geändert werden. Aber meiner Meinung nach nicht so, wie der Autor sich das vorstellt. Und vor allem ist es nicht so populistisch einfach.

„Stoppt die Hexenjagd nach unserem Volk, aber gebt Hilfe und Unterstützung für alle Steuerzahler, damit Deutschland für den einfachen Bürger auf der Straße sicher, lebenswert und wohlhabend wird so wie es einmal war!!“

Wenn, dann wäre es eine Hexenjagd „auf“ unser Volk. Nicht „nach“. Jagen und Nachjagen sind zwei verschiedene Begriffe.
Es ist in Deutschland so sicher und lebenswert, wie in keinem anderen Deutschland jemals zuvor.
Das mit dem wohlhabend hängt zum weitaus größten Teil von dem Menschen selber ab.

„Kopiere & füge ein, wenn du den Mut hast!!!“

Ich habe kopiert, ich habe eingefügt. Der einzige Mut, den es dafür braucht, ist der Mut dem öffentlich zu widersprechen.
Denn dieser Text ist sehr eindeutig rechtspopulistisch.

Er ist geschrieben von einem unterdurchschnittlich gebildeten Menschen, der aus Zukunftsangst konservative Werte und nationalistische Vorstellungen vertritt. Überfordert durch Kompelxität, auf der Suche nach einfachen Antworten. Kopiert ohne Quellenangabe.
Das wird garniert durch das Clickbait im letzten Satz. „Teil das, bevor es gelöscht wird“ und „Teile, wenn Du Dich traust“ sind Aufforderungen, die nicht nur unglaublich 2013 sind. Es sind Handlungsaufforderungen, auf die nur Dumme hereinfallen. Vermutlich Menschen mit geringer Medienkompetenz.

Die Gefahr dabei ist, dass diese Menschen dem emotionalisierenden Text aus reinem Empfinden zustimmen. Ohne ihn zu hinterfragen.
Weder inhaltlich, wodurch sie verhindert, sich mit Fakten, Ursachen und möglichen Lösungen konstruktiv auseinanderzusetzen. Was für eine Demokratie zwingen notwendig ist. Noch auf der Meta-Ebene. Wodurch nicht wenige den Neppern, Schleppern und Ossifängern in die Arme laufen und rechtspopulistische Inhalte verteilen, ohne es sich bewusst zu machen.

Das sind keine Nazis. Die Dummheit hat nur aufgehört sich zu schämen.
Und wer jetzt denkt „Aber so kann man doch mit einer Leserin nicht umgehen !!!“…
Ich bin inzwischen zu der Überzeugung gekommen, man muss es sogar. Um den Menschen deutlich zu machen, dass man wichtige Themen nicht zwischendurch in sein Handy hackt und veröffentlicht.

Es erfordert keinen Mut, einen Text zu verteilen, dem viele aus offensichtlichen Gründen spontan zustimmen würden. Es erfordert Mut, Durchhaltevermögen und Arbeit zu sagen: So einen populistischen Scheiß will ich auf meiner Facebook Seite nicht haben. Es erfordert Mut, dem zu widersprechen.

Und es erfordert Mut, dieser kritisierten und doch implizit eingeforderten Political Correctness zu widersprechen. Indem man sehr deutlich sagt, dass das Niveau und die Schöpfungshöhe eines solchen Textes, und seine Verteilung, nicht ausreichen, um an einer mündigen, erwachsenen, öffentlichen Diskussion teilzunehmen. Wer keine Political Correctness mag, der muss auch das aushalten können.
Der Autor kann – und soll sogar – wählen gehen. Aber es wäre doch sinnvoller, wenn er öffentlich besser schweigt.
Denn so funktioniert Demokratie eben nicht.

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