Prigoschins Tod – Eine Übersicht

Absturz des Söldnerführers

Inzwischen werden auf Social Media Fotos von anderen Abstürzen geteilt und einige Content Creator nutzen dies, um merkwürdige Verschwörungstheorien und absurde Erklärungen zu veröffentlichen.
Um es deutlich zu sagen: Ich halte diese Leute uneingeschränkt für Dummschwätzer.

Hintergründe

Die Gruppe Wagner hatte zum 30. Juli alle Rekrutierungen für neue Söldner eingestellt. Diese Rekrutierung sollte am 21. August wieder aufgenommen werden. Namentlich für Einsätze im nahen Osten und in Afrika.

An genau dem Tag wurde ein Video veröffentlicht, in dem Prigoschin davon spricht, dort weiter aktiv zu bleiben. Zum Zeitpunkt der Aufnahme befand er sich in selber in Afrika, der genaue Ort ist unbestätigt.
Nur einen Tag später, am vergangenen Dienstag dem 22. August, ist eine Delegation des russischen Verteidigungsministeriums in Libyen angekommen. Das Institute for the Study of War geht davon aus, dass das Verteidigungsministerium die Wagner Söldner durch andere Söldner ersetzen will, die dem Ministerium näherstehen.
Wobei inzwischen klar ist, dass das Ministerium bisher auch die Wagnerianer bezahlt hat.

Es gibt weitere Anzeichen dafür, dass das Ministerium begonnen hatte, die Wagner Gruppe zu zerschlagen. Nachdem der Diktator Lukaschenko abgelehnt hat, dass Belarus für Wagner aufkommt, hat es offenbar Überläufe der Söldner zu Gruppen des Ministeriums gegeben, die derzeit aufgestellt werden.
Der angebotene Sold der Gruppe Wagner ist derweil von $ 2530 auf $ 1500 zurückgegangen.

Weitere interessante Nebenkriegsschauplätze

  • Einer der beiden Feinde Prigoschins ist der Chef des Generalstabes Gerassimov. Und der hatte gerade erst gemeinsam mit Putin das Hauptquartier besucht, das Prigoschin während seines kurzen Putschversuches besetzt hatte. Dies wurde als Zeichen verstanden, dass Putin weiterhin zur Militärführung steht.
  • Das ISW hält es auch für möglich, dass Prigoschin mit seinem erneuten Engagement in Afrika eine rote Linie überschritten hat. Das wäre wahrscheinlich, wenn sein Deal zuvor gefordert hätte, sich ruhig zu verhalten.
    Das würde erklären, warum Prigoschin Afrika offenbar überhastet verlassen hat.
  • Und zu guter Letzt wäre eine solche Aktion auch ein deutliches Zeichen an Lukaschenko. Der großspurig Prigoschin Schutz versprochen hatte. Dies dürfte ein Zeichen aus Russland sein, Lukaschenko auf seinen Platz zu verweisen.
  • Laut Visegrád 24 wurde der Wagner Gruppe gestern Abend bereits das Internet in Belarus abgestellt.

Schlussfolgerung

Aufgrund der bisherigen Informationen gehe ich davon aus, dass in Moskau ein Sprengsatz in die Maschine geschmuggelt wurde. Nur diese Variante deckt sich mit den derzeitigen Symptomen. Und es wäre auch eher der Stil des Geheimdienstes, als Militär einzusetzen. Was auch politisch eher kontraproduktiv wäre.

Ebenfalls auf der Passagierliste:
Der Neonazi und Gründer Utkin

Hätte die Führung Prigoschin zu einem früheren Zeitpunkt oder offensichtlicher beseitigt, hätte die Gefahr bestanden, dass Prigoschin dadurch zu einem Märtyrer seiner Söldner wird. Die Hintergründe zeigen jedoch, dass es deutliche Bemühungen gegeben hat, die Söldner von Prigoschin und der Wagner-Führung zu entfremden.

Der jetzige Zeitpunkt würde also völlig Sinn machen, um die Führung der Wagner Gruppe auszuschalten. Der politische Einfluss und die wirtschaftliche Stärke der Wagner Gruppe wurde durch das Ministerium bekämpft, weit bevor das Flugzeug vom Himmel fiel.

Dafür spricht auch, dass auch Dmitri Utkin an Bord gewesen sein soll. Der Neonazi mit den tätowierten SS-Kragenspiegeln ist der eigentliche Gründer der Wagner Gruppe. Prigoschin war lediglich der Geschäftsführer, der sich entsprechend inszeniert hat.

Ockhams Rasiermesser

Es gibt keine Logik, nach der es Sinn machen würde, dass der Anschlag inszeniert war.
Denn nicht nur, dass Prigoschin alleine jede Möglichkeit gehabt hätte, sich von Afrika aus abzusetzen. Es wäre darüber hinaus absurd gewesen, überhaupt erst nach Russland zurückzukehren. Dort hin, wo die Behörden feststellen können, ob er tatsächlich an Bord war.

Ebenso wäre es unlogisch, dass die Ukraine etwas mit dem Anschlag zu tun hat. Denn wie erwähnt spielte Prigoschin keinerlei Rolle mehr in dem Krieg. Und es gab weder von den Wagnerianern selber, noch vom Verteidigungsministerium irgendwelche Anzeichen dafür, sie wieder in der Ukraine einsetzen zu wollen.
Der ukrainische Geheimdienstchef Budanov hatte bereits am 30. Juli veröffentlicht, dass nach seinen Informationen der russische Geheimdienst mit der Tötung Prigoschins beauftragt wurde.

Die Frage nach einer Beteiligung Putins selber wird überbewertet. Das ist eine Vereinfachung.
Die Gegenspieler Prigoschins waren vor allem der Verteidigungsminister Schoigu und der Chef des Generalstabes Gerassimov. Putin ist als oberster Führer und ideologischer Nachfolger des Zaren unantastbar. Daher hatte Prigoschin das Narrativ der „Verräter an Russland“ etabliert. Er hat die Militärführung angegriffen, nicht Putin selber. Und genau dieses Narrativ findet sich in der Veröffentlichung der Gruppe Wagner wieder.

Selbstverständlich ist ein entsprechendes Engagement Putins nicht auszuschließen. Doch es würde in der Gemengelage nichts ändern.

Letztendlich werden wir es vermutlich nie genau wissen. Denn auch die Untersuchungen liegen nun bei den russischen Behörden. Die Ergebnisse sind also ebenfalls wenig vertrauenswürdig. Egal, was dabei herauskommt.
Weshalb es merkwürdig ist, dass auch die seriösen Medien weiterhin vor allem offizielle russischen Meldungen referenzieren.

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