Leserfrage: Was erwarte ich von einem Verteidigungsminister?

General oder nicht General, das ist nicht die Frage

Die verzerrte öffentliche Meinung

Wir haben ein gesellschaftliches Problem in Deutschland. Das es in diesem Maße nur in Deutschland gibt. Soldaten werden nicht für das akzeptiert, was sie sind, sein sollen und sein müssen.
Erst wenn sie gebraucht werden, ist das Geschrei groß. Wenn Angst und Druck auf die Gesellschaft einwirken, bemerken viele, dass wir ja ein Militär haben. Wie jetzt beim Einmarsch Russlands in die Ukraine.

Ein Militär, das zu den besten der Welt gehört, in vielen anderen Staaten hoch angesehen ist und aus politischer Willensbildung heraus seit Jahren chronisch unterfinanziert ist. Über das dann Leute auf Social Media ablästern, die selber keinerlei Ahnung vom Militär haben und die Grundanforderungen, nämlich sein Team über das eigene Wohl zu stellen, sicher in den wenigsten Fällen erfüllen könnten oder wollten. Wie man an der Corona-Pandemie gesehen hat.

Als wenn es die Schuld der Kameradinnen und Kameraden wäre, wenn Flugzeuge nicht einsatzbereit sind, weil es keine Ersatzteile gibt. Als wenn sie irgendetwas dafürkönnten, dass Politiker(innen), die keine Ahnung haben, Millionen für Beraterfirmen ausgeben. Als wenn sie etwas dafürkönnten, dass bei der Beschaffung von Material Verträge unterzeichnet werden, die kein privates Unternehmen auch nur in Erwägung ziehen würde und die Gewährleistung durch Hersteller ausgehebelt wird.

Stattdessen wird noch ein Fass aufgemacht, wenn Gewehre unter Belastung mal etwas verziehen, was kein Soldat je bemängelt hat und im Einsatz so auch gar nicht stattfinden würde.
Wenn ein Soldat mit seinem Sturmgewehr auf 300 Meter mehrere hundert Schuss abgibt, dann hat der ganz andere Probleme, als dass die Knarre verzieht. Dann hat er eine beschissene Führung, ist schlecht ausgebildet und wo zum Henker hat der Penner überhaupt mehrere Hundert Schuss her?

Der Tanz durch die Fettnäpfchen

Ja, es wäre wünschenswert, wenn ein Verteidigungsminister selber gedient hätte. Aber nur aus einem einzigen Grund: Damit er die militärische Denke versteht und nicht etwas von „schweren Waffen“ erzählt. Oder sich als erstes für Kindergärten einsetzt, während die Kameradinnen und Kameraden einen Teil ihres Solds für Ausrüstung ausgeben müssen.

Rudolf Scharping ließ sich 2001 auf dem Rückflug mit einer Militärmaschine beim Badeurlaub auf Mallorca absetzen. Und ließ sich dort mit seiner Verlobten im Pool fotografieren, was auf der Titelseite der Bunten veröffentlicht wurde. Während deutsche Soldaten im Kosovo im Einsatz waren.
In Berlin wurde das spöttisch als „Badeunfall“ bezeichnet und in der Truppe, bis zum Flottenkommando, wurde er in Anspielung auf Bin Laden nur noch als „Bin Baden“ bezeichnet. Und wunderte sich dann auch noch, dass sein Ansehen in der Truppe rapide gesunken ist.

Vermutlich kam die Leserfrage auch deshalb, weil verlautbart wurde, dass die jetzige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in der kommenden Woche zurücktreten wird.
Sie hatte im Mai 2022 ihren Sohn in einem Bundeswehrhubschrauber zu einem Truppenbesuch mitfliegen lassen, um anschließend von da aus in den Urlaub zu fahren. Badeunfall reloaded.
Im Bundestag erklärte sie, der Gepard sei kein Panzer. Und man stelle den nicht auf Dauerfeuer. Damit gebe man vielleicht mal „10, 15, 20 Schuss“ ab. Was zeigt, dass die Juristin nicht den Hauch einer Ahnung davon hat, was sie dem Bundestag und der deutschen Bevölkerung da erzählt.

Und als Sahnehäubchen hielt sie es für eine gute Idee, sich während des Silvesterfeuerwerks vor eine Handy-Kamera zu stellen und so Sätze zu sagen wie: „Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke. Viele viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen.“
Und hatte dann noch die Eingebung, das selber ungeschnitten zu veröffentlichen. Anstatt das redaktionelle Team des Ministeriums zu fragen, das ihr sicherlich zur Verfügung steht.

Eigentlich sehr einfache Jobbeschreibung

Ich erwarte von einem Verteidigungsminister nur zwei Dinge.

Zum ersten, dass er sich so verhält, als ginge es in seinem Job um Menschenleben. Was lustigerweise tatsächlich genau das ist, worum es geht.
Ich erwarte die Integrität, Ehrlichkeit und das Rückgrat eines Zugführers, der seine Leute an die Front führen muss. Und der bereit sein muss das zu leisten, was er von jedem seiner Untergebenen erwartet.

Und ich erwarte zum zweiten, dass er unabhängig von parteipolitischen Dingen für die Bundeswehr eintritt. Mehr noch, ich erwarte Rücksichtslosigkeit. Denn es ist bezeichnend, dass in all den Jahren der chronischen Unterfinanzierung kein einziger Verteidigungsminister dadurch auffällig wurde, das deutlich anzusprechen. Man sollte doch erwarten, dass er wieder und wieder Geld und Material fordert. So hemmungslos, wie auch Selenskyj das macht.

Nach wie vor muss ein Zeitsoldat sich selber um seine Versicherung und Altersvorsorge kümmern. Weil er nach seiner Dienstzeit de facto als ehemaliger Selbstständiger eingestuft wird und damit sofort auf Hartz IV durchfällt. Und das bei Menschen, die mehr bereit sind für ihren Arbeitgeber zu tun, als in jedem anderen Job.
Nur das wird politisch nie adressiert. Denn ein Verteidigungsminister, der das ausspricht, tritt damit im Grunde dem in den Arsch, der ihn feuern kann.

Jeder nickt ab, wenn Polizeibeamte – völlig zu Recht – argumentieren, nach dem Dienst gesund nach Hause kommen zu wollen. Den Kameradinnen und Kameraden gestehen wir das aber nicht zu. Weil wir sie mit schlechter Ausrüstung und wenig Rückhalt für Monate an den Arsch der Welt schicken. Von wo sie vielleicht nicht zurückkommen.
Und wir sind völlig zufrieden damit, sie aus unserem Gedächtnis zu streichen. Wir sehen sie als Söldner, die wir von der Kette lassen, um sie unsere Konflikte austragen zu lassen. So lange es unsere eigene Wohlfühlzone nicht tangiert. „Sie haben es sich ja so ausgesucht.“

Stattdessen projizieren wir auf sie, was andere politisch entschieden haben. Und vergessen dabei gerne, dass die meisten sicher nicht der Auffassung sind, dass unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird.

Um die Fragen zu beantworten

Soldaten brauchen nicht viel.
Sie brauchen keine Kindergärten oder Zahnzusatzversicherungen. Das bekommen sie schon hin. Es sind Soldaten. Klar, wäre nett. Aber doch nicht das Dringendste.

Sie brauchen Respekt. Sie müssen wissen, dass derjenige, der sie schickt, hinter ihnen steht. Und sie müssen wissen, dass derjenige, der neben ihnen steht, bereit ist für sie zu tun, was sie bereit sind für ihn zu tun.

Nach neun Verteidigungsministern bin ich zu der Weisheit gelangt, dass so jemand vermutlich niemals Verteidigungsminister wird.
Weil jemanden, der das leisten wollte und könnte, gar nicht die Kompetenzen besitzt, um in eine solche Position aufzurücken.

Um die Fragen also zu beantworten:

  • Ich sehe niemanden, den ich gerne als Verteidigungsminister sehen würde.
  • Der Verteidigungsminister muss nicht zwangsläufig gedient haben. Er muss der Ernsthaftigkeit und der Integrität gewachsen sein, die der Job meiner Meinung nach über parteipolitische Taktierereien hinaus erfordert. Und er sollte ein Grundmaß an Fachkompetenz besitzen, wenn er öffentlich den Mund aufmacht.
  • Ich sehe keinen Vorteil darin, dass jemand unbedingt General gewesen sein müsste. Das könnte sogar Nachteile mit sich bringen.
  • Und es ist mir selbstverständlich vollkommen gleichgültig, welches Geschlecht derjenige hat.

Als ehemaliger Unteroffizier, Ausbilder und alter Sack fände ich es schon wünschenswert, wenn derjenige vorher eine sechswöchige Grundausbildung bei Gunnery Sergeant Hartman absolviert und Feldwebel Rolf Steiner ihm zeigt, wo die Eisernen Kreuze wachsen. Das erdet.
Aber das ist nur so ein kleiner, illusorischer, sadistischer Wunschtraum.

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