Leserfrage: Was bedeutet „nicht einsatzbereit“?

Die Zahlenspielereien der Medien

Aufrüsten, umrüsten, abrüsten

Zusätzlich werden im Fall der Leopard gerade viele aufgerüstet, auf die moderne Version. Das macht aber auch nicht die Instandsetzung, dafür müssen die zurück zum Hersteller. Das ist ein logistischer Aufwand, denn die fahren ja nicht mal eben selber dahin. Sie müssen auf Züge verladen werden. Der deutsche Soldat spricht dabei von „verlegen“.

Solche aufwändigen „Aufrüstungen“ müssen vom Bundestag genehmigt werden.
Derzeit werden die meisten der deutschen Leopard derartig aufgerüstet auf die Version A7*. Das begann schon 2014 und soll 2026 abgeschlossen sein. Zum jetzigen Zeitpunkt! Das bedeutet nicht, dass eine Verzögerung wahrscheinlich ist. Die Rüstungsindustrie hat nicht den Berliner Flughafen gebaut, zwinkazwinka. Sondern dass beispielsweise noch weitere Panzer aufgerüstet werden.

Und da kommt zu allem Überfluss und hinzu, dass die Bundeswehr die meisten Kampfpanzer inzwischen eingemottet oder sogar schon verkauft hat.
Das liegt einmal daran, dass der kalte Krieg ja angeblich vorbei war. Und man sich dachte, dass man das Zeug nicht mehr braucht. Obwohl viele seit 2008 vor Russland gewarnt haben, hat man daran festgehalten.

Und zum anderen liegt es daran, dass man davon ausgegangen ist, dass solche Systeme nicht mehr in dem Umfang benötigt werden. Weil die Kriegsführung sich geändert hat. Wie man auch an der Ukraine sieht. Aufklärung, Drohnen und die moderne Artillerie sind viel wichtiger geworden, als sie es noch in den 1990ern waren.

Beispielsweise hat Dänemark ab 1997 solche gebrauchten Panzer gekauft. Die natürlich generalüberholt und angepasst wurden.
Bei solchen Deals ist üblich, dass der Käufer immer ein paar Stück mehr zum Ausschlachten nimmt. Um nicht auf Gedeih und Verderb vom Zulieferer abhängig zu sein.

Nur ein Bildausschnitt

Das gibt vielleicht einen Eindruck, wie kompliziert das ganze ist und wie vielschichtig.
Wirklich „kaputt“ dürften die wenigsten sein. (Bei Flugzeugen ist der Anteil sicher deutlich höher.)
Wenn solche Zahlen nun veröffentlicht werden, dann nimmt der Redakteur natürlich die Zahlen oder Verhältnisse, die sich am dramatischsten anhören.

Wenn also die Bundeswehr 300 Leopard hat, 100 werden gerade aufgerüstet, 70 sind in den Fristen und „unklar“ gemeldet und bei 30 fehlen tatsächlich die Ersatzteile, dann wird jeder Redakteur titeln „Fehlende Ersatzteile: Nur ein Drittel einsatzbereit“.
Was ja keine Lüge ist. Es verzerrt nur die Tatsachen. Und der Laie fragt sich dann, wofür er eigentlich sein Geld ausgibt.

Es ist sehr ähnlich mit der Empörung darüber, dass das Gewehr G36 verzieht. Der Spiegel hatte darüber vollkommen korrekt berichtet. Dann griffen andere das auf und machten das ganz große Fass auf. Und niemand fragte mehr nach Sinn und Zweck und Relationen. Und niemand fragte die Soldaten.
Denn dieses Verziehen tauchte bei Entfernungen und Schussfolgen auf, für die ein solches Gewehr gar nicht gedacht ist. Es war, als hätte jemand entdeckt, dass ein Golf langsamer als ein Ferrari fährt. Und die Bild machte damit dann aufregende Schlagzeilen.

Aufgeregte Zeitverschwendung

Wie bereits gesagt, die Bundeswehr ist unterfinanziert und wurde über Jahrzehnte nicht nur stiefmütterlich behandelt. Sondern sogar abschätzig. Dafür bekommen wir gerade die Rechnung.

Aber die ganze öffentliche Debatte über Lieferungen von Leopard ist völlig aufgebauscht. Und wird zumeist von Leuten geführt, die gar keine Ahnung haben.

Natürlich ist es ein Armutszeugnis, wenn der Verteidigungsminister erst nach einem NATO Treffen den Auftrag erhält, die Bestände zu prüfen. Was mehr ist als zu zählen, wieviel Autos (Diminutiv für Panzer von Panzermännern) in der Kaserne stehen. Trotzdem ist es ein Armutszeugnis. Selbst wenn diese Bestandsprüfung zwei Tage später bereits fertig war.

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Es wurde häufig argumentiert, dass die Lieferung von Leopard durch andere Länder von der Freigabe durch Deutschland abhängt. Dabei wurden auch Ungarn und Tschechien genannt. Die haben aber inzwischen nicht nur dementiert, sondern sowas gesagt wie „Was erzählt Ihr denn da? Wir wurden noch nicht einmal gefragt.“

Was die öffentliche Meinung als Bild transportiert ist, dass wir einen Sollbestand haben. Und der immer so bleibt.
Aber die amerikanischen Streitkräfte waren 1939 sicher nicht die gleichen wie 1945. Und die russische Rüstung läuft auf Hochtouren. Zumindest für ihre Verhältnisse.
Dieser Krieg wird noch sehr lange dauern. Und wir müssen verstehen, dass das ein dynamische Geschehen ist und wir uns anpassen müssen. Und mit „wir“ meine ich die Politiker und die Öffentlichkeit.
Wir müssen uns klar machen, dass es ans Eingemachte geht.

Deshalb sind diese akuten Stückzahlen derzeit fürchterlich irrelevant. Und die öffentliche Debatte in ihrer Aufregung Zeitverschwendung. Und deshalb beschäftige ich mich damit gar nicht.
Zumal das Thema ja von allen Seiten instrumentalisiert wird, um auf der Regierung herumzuhacken.

Zumal ich in den vergangenen Jahrzehnten nicht ein einziges Mal einen Beitrag in einem großen Medium gelesen habe, der mir diesbezüglich irgendwelche Zahlen geliefert hat, die mir irgendeine vernünftige Information geliefert hätten.

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