Freitagsfragen: Propagandatext zerlegt

Teil 3

In den vergangenen Tagen haben mich sehr viele Leserfragen erreicht. Die ich gerade versuche auf der Facebook Fanpage abzuarbeiten.

In diesem Fall wurde ich nach einem Text gefragt, der auf einer Facebook Fanpage verteilt wurde. Die sich aber als Gruppe bezeichnet. Hinter der eine Blog Page ohne Impressum steht, der Verantwortliche bleibt also anonym.
Diese Gruppe nennt sich „Bürgerinitiative für Frieden in der Ukraine“, dort werden aber offenbar ausschließlich russlandfreundliche Texte geteilt bzw. russische Propaganda multipliziert.

Dieser Text ist mir inzwischen aber so häufig begegnet und ich wurde so oft danach gefragt, dass ich ihm einen Blog-Beitrag widme. Um die URL bei zukünftigen Fragen kopieren zu können.

Da der Text immer wieder kopiert anstatt geteilt wird, ist eine Quelle nicht mehr ausfindig zu machen. Und daher unterscheidet er sich auch immer ein wenig. Er ist jedoch an der chronologischen Aufzählung leicht wiederzuerkennen. Und an dem pseudodramatischen „Der Russe bleibt ruhig“ am Ende jedes Absatzes.

Daher beschränke ich mich auf das Wesentliche, da der Text sehr lang ist und gemäß Brandolinis Gesetz (Bullshit-Asymmetrie-Prinzip) den Beitrag sprengen würde.
Ich ändere nur der Lesbarkeit halber; er strotzt vor Grammatik-, Rechtschreib- und Absatzfehlern.


1989-1991
Der Russe erlaubt die Abschaffung der Demarkationslinie zwischen Ost – und Westdeutschland und löst den „Warschauer Pakt“ auf, zieht seine Truppen aus Osteuropa ab und vertraut auf die mündliche Zusage von Hans-Dietrich Genscher (ehemaliger Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland und James Baker (ehemaliger Außenminister der USA) im Februar 1990, dass die ehemaligen „Warschauer Pakt“ Mitglieder nicht der NATO beitreten, es also KEINE NATO – Osterweiterung geben wird.
Die amerikanischen Truppen bleiben in Deutschland stationiert.
Bis 2004 sind dann fast alle „Warschauer Pakt“ Mitglieder der NATO beigetreten.
Der Russe bleibt ruhig

Alleine für selbstverständlich anzunehmen „der Russe“ müsse oder könne irgendetwas „erlauben“, zeigt doch ein sehr sowjetisch beeinflusstes Weltbild. Russland hat „zugestimmt“, nicht „erlaubt“.

Tatsächlich war das ein langer Prozess, in dem auch international über einen Interessensausgleich mit der Sowjetunion (nicht Russland) verhandelt wurde.
Hans-Dietrich Genscher und James Baker haben so etwas zwar in einer mündlichen Vorverhandlung geäußert. Aber sie hatten gar keine Befugnis eine Zusage zu machen. Und das muss auch den sowjetischen Verhandlern klar gewesen sein.
Gorbatschow selber hat später bestätigt, das die „NATO-Osterweiterung“ zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen wurde. Sogar, dass sie zu dem Zeitpunkt nicht einmal Thema war. Denn die zerfallende Sowjetunion hatte andere Sorgen.

Der Wahrschauer Pakt wurde auch nicht einfach so aufgelöst. Unter anderem wurde schon 1990 die Auslösung der NVA aus dem Wahrschauer Pakt durch den zuständigen Minister der DDR (Rainer Eppelmann) und den Oberkommandierenden des Warschauer Paktes unterzeichnet.
Die amerikanischen Truppen in Deutschland oder dessen Mitgliedschaft in der NATO standen nie zur Diskussion.

Deutschland wurde im Grunde nicht als gleichberechtigte Partner „wiedervereinigt“, in dem Sinne, dass ein neues Deutschland geschaffen wurde. Sondern die DDR ist der BRD und damit der NATO „beigetreten“.

Das erst unter Putin aufkommende Narrativ der NATO-Osterweiterung tut so, als hätte die NATO sich gezielt nach Osten ausgeweitet. Tatsächlich wollten die von Sowjetrussland abfallenden, sich demokratisierenden Staaten aber händeringend und unter Auflagen und Anstrengungen der NATO beitreten. Aus Angst vor Russland.

Der Überfall auf die Ukraine zeigt, dass diese Angst nicht unbegründet war. Und sie wirkt bis heute nach: beispielsweise hat Polen eine massive Aufrüstung mit modernsten Waffensystemen beschlossen und die baltischen Staaten haben große Angst davor, dass Russland auch sie angreift.

2001
Putin macht dem Westen im deutschen Bundestag (in fließend deutscher Sprache) ein Angebot für eine enge Partnerschaft, um die Spaltung der Vergangenheit zu überwinden.
Alle Bundestagsabgeordneten klatschen begeistert …
Der Amerikaner verbietet das.
Es gibt mit Weißrussland, der Ukraine und den 3 baltischen Staaten einen Puffer zwischen der Nato und Russland.
Der Russe bleibt ruhig

Alleine die Erwähnung der angeblich so fließenden deutschen Sprache zeigt doch, dass das Bild vom großen russischen Führer, der gnädigerweise Deutsch spricht und sprechen kann, bedient wird.

Es gibt kein solches „Verbot“. Im Gegenteil, die Geschichte widerlegt diese Behauptung. Denn es hat ja eine sehr enge Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland gegeben. Beispielsweise hat BASF Pipelines gebaut und darüber jahrelang fossile Brennstoffe aus Russland bezogen.

Weiter auf der nächsten Seite:

2004
Die baltischen Staaten werden Mitglieder der NATO.
Eine erste Verletzung der Pufferzone.
Der Russe bleibt ruhig

Diese „Pufferzone“ ist eine Erfindung der russischen Propaganda. Sie wurde nie international in irgendeiner Art und Weise Verhandelt.
Völkerrechtlich darf jeder souveräne Staat koalieren mit wem er will.

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