Es gibt keine „verbotenen Waffen“

Das falsche Bild in der Öffentlichkeit

Am vergangenen Sonntag habe ich über den angeblichen Einsatz von Phosphorbomben im ukrainischen Mariupol berichtet. Dazu erreichten mich mehrfach die immer gleiche Frage: „Warum berichten fast alle Medien, dass solche Waffen verboten sind?“

Um es vorweg zu nehmen: Die meisten Medienberichte werden von Redakteuren geschrieben, die selber keine Ahnung haben.
Es ist zu einem Narrativ geworden, dass es Waffen gibt, deren Einsatz verboten sei. Geurteilt wird dabei offenbar eher nach dem, was wir als verabscheuungswürdig empfinden.

Offenbar übernehmen das viele Redakteure, ohne es zu prüfen. Und so wird es wieder und wieder wiederholt. Das führt dazu, dass viele Menschen zu glauben scheinen, es gäbe bestimmte Waffen oder Waffenarten, die verboten sind. Und ein Verbot setzt in unserer Vorstellung natürlich voraus, dass man für den Einsatz bestraft wird.

Aber das deckt sich leider nicht mit dem, was völkerrechtliche Realität ist.
Daher ist die Überschrift kein Clickbait. Die Aussage, dass es keine verbotenen Waffen gibt, ist näher an der Realität, als zu behaupten, diese oder jene Waffe sein verboten. Das ist nämlich in fast allen Fällen falsch.
Es gibt ein paar wenige. Die meisten werden überrascht sein.

In dem Beitrag zu dem vermeintlichen Angriff mit „Phosphorbomben“ auf das Stahlwerk in Mariupol – mit hoher Wahrscheinlichkeit waren es Magnesium-Artillerie-Raketen – habe ich einen kurzen Überblick gegeben, wer beispielsweise alles Brandwaffen einsetzt.
Gut, es sind alles nicht unbedingt Sympathieträger. Aber es sind eben Staaten aller vermeintlichen Seiten.

Bio- und Chemiewaffenkonvention

Nach den Giftgasangriffen im Ersten Weltkrieg kam es 1925 zu dem Genfer Protokoll. Damit wurden giftige Gase und bakteriologische Methoden zur Kriegsführung verboten.
Das erwies sich aber als nicht umsetzbar. Und so wurde erst 1971 von der UN die Biowaffenkonvention erlassen.

Erst 1997 trat die Chemiewaffenkonvention in Kraft.
Eine solche Konvention ist aber nicht zwingend so bindend, wie man sich das als Laie vorstellt. Üblicherweise verabschieden die einzelnen Staaten dazu selber nochmals Gesetze. Im Falle Deutschlands trägt das entsprechende Gesetz den romantischen Titel „Ausführungsgesetz zu dem Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen – CWÜAG)“.

Bio-Waffen und Labore in der Ukraine

Ein gern von Verschwörungsmystikern und der russischen Propaganda verbreitetes Narrativ ist, dass die Ukraine an biologischen Waffen gearbeitet hätte. Zu beginn des Überfalls auf die Ukraine seien solche Labore von den russischen Streitkräften entdeckt worden.
Das ist natürlich hanebüchener Unfug.

Es ist bekannt, dass mindestens die USA und Russland solche Bio-Waffen besitzen oder herstellen könnten. Trotzdem wurden sie noch nie als Massenvernichtungswaffen eingesetzt. Der Grund ist einfach: Ein Bakterium oder ein Virus unterscheidet nicht zwischen Freund und Feind. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sich so etwas verbreiten kann.
Auch die Erzählung von Gen-Waffen ist Unfug. Dabei soll es um Viren gehen, die nur Menschen mit bestimmten Genen befallen.
Die genetische Vielfalt innerhalb einer Population ist jedoch so groß, dass so etwas unmöglich wäre. Beispielsweise ist der durchschnittliche Afrikaner aus dem Niger oder dem Sudan einem Europäer genetisch näher als einem Xhsosa oder San.
Bio-Waffen werden inzwischen als Waffen des Terrorismus eingestuft, aber nicht als Kriegswaffen.

Natürlich forschen alle Staaten, die es sich leisten können, zu Giftstoffen. Bekannt ist das so genannte „dreckige Dutzend“: Pest, Milzbrand, Pocken, etc. Das bedeutet aber nicht, dass sie damit Waffen entwickeln. Und Russland hat bis heute keinen Nachweis vorgelegt. Was es sicher propagandistisch entsprechend ausgeschlachtet hätte.

Die UN-Waffenkonvention

Erst 1983 trat die „Konvention über bestimmte konventionelle Waffen“ in Kraft. Und die Liste ist sehr kurz.
Tatsächlich verboten sind eigentlich nur bestimmte Minen. Beispielsweise Minen, die nicht durch Minensucher auffindbar sind oder Minen mit einem Metallanteil unter 8g. Und Laserwaffen, die erblinden können. Das war es schon im Groben.

Ein generelles Verbot von Antipersonenminen ist nicht zustande gekommen. Ebenso wenig ein Verbot von Streumunition. Ersatzweise gibt es ein Abkommen außerhalb der UN, die so genannte Ottawa-Konvention. Die haben aber beispielsweise China, Russland und die USA gar nicht unterzeichnet.

Der juristische Gedanke dahinter ist etwas schwieriger. Wie das meist so ist, wenn man Juristen von der Leine lässt.
Es geht weniger darum, tatsächlich bestimmte Kriegswaffen zu verbieten. Das hätten viele Staaten nicht mitgemacht. Sondern die Zivilbevölkerung vor Waffen zu schützen, die keinen Unterschied zwischen Soldaten und Zivilisten machen. Das ist der Kompromiss.

Brandwaffen sind nicht verboten. Sondern ihr Einsatz gegen Zivilisten. Im Beispiel des Stahlwerks von Mariupol wäre das also recht einfach: Dort hatten sich Soldaten verschanzt. Die Brandmunition ist offenbar nur auf einen Teil des Stahlwerks gefeuert worden. Also war das mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht illegal.
Schöne Scheiße, widerlich, aber eben nicht illegal.

Wo kein Richter…

Und einen weiteren Faktor sollte man überdenken.
Nur einmal angenommen, dieser erwähnte Angriff in Mariupol wäre laut UN-Konventionen verboten gewesen, käme dafür ja weder Russland noch Putin vor Gericht. Es wäre nichts anderes als ein Mordprozess. Man müsste genau sehen, wer es zu verantworten hat.

Waren es die Soldaten, welche diese Munition in geladen haben? Wussten die das überhaupt? Ist der Offizier verantwortlich, der den Feuerbefehl gegeben hat? Ist der Kommandeur verantwortlich, der befohlen hat diese Munition einzusetzen?
Es dürfte klar sein, dass die alle nicht freudestrahlend vorm Internationalen Gerichtshof aussagen werden. Falls man sie überhaupt da hin bekommt.

Bei dieser Problematik und der öffentlichen Reaktion zeigt sich ein Symptom, dass sich seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine zeigt. Europa war so lange friedlich, dass wir vergessen haben, was Krieg tatsächlich bedeutet. Und plötzlich versucht ein Diktator in Europa durch einen Krieg einen Territorialgewinn zu erzielen. Etwas, von dem wir in unserer Naivität dachten, so etwas gibt es höchstens noch bei äthiopischen Warlords.
Plötzlich merken wir, dass die Menschheit noch gar nicht so viel weiter ist, als nach dem ersten Weltkrieg.

Und nun werden auch noch solche Waffen eingesetzt. Und die Medien offenbaren ihre Unkenntnis und verbreiten auch noch, solche Waffen seien „verboten“.
Da sitzen wir nun, bei unserem Mango-Lassi bei unserem Lieblings-Inder im Prenzlauer, warten auf unsere vegane Quiche und sind völlig überfordert damit, von der Realität eingeholt zu werden.

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