Die apokalyptische Weltuntergangswaffe der Russen

Was tatsächlich ist und was russische Propaganda und Medien daraus machen

Die russische Tomsk der Oscar II Klasse (Foto: mil.ru; CC BY 4.0)

Am gestrigen Samstag schrieben mich gleich mehrere Leserinnen an. Die Medien hätten von einem neuen „Weltuntergangs-U-Boot“ der Russen berichtet. Eine Leserin schrieb, dass ihre psychisch eh angeschlagene Freundin dadurch so in Panik sei, dass sie geäußert habe, nicht mehr leben zu wollen.
Schauen wir uns zunächst einmal an, was die Russen da tatsächlich gebaut haben. Schauen wir, was das tatsächlich bedeutet und was die Medien daraus gemacht haben.

Kriegsschiffe einer bestimmten Klasse werden von der NATO nach dem ersten Schiff der Klasse bezeichnet. Unterseeboote der Russen nach dem NATO-Alphabet. Diese Schiffe sind keine Autos vom Fließband: jedes ist anders. Sie beruhen aber auf dem gleichen Design.

Seit 1975 baut Russland U-Boote der Oscar Klasse. Die moderneren werden als Oscar II bezeichnet.
Das sind riesige Atom-U-Boote. „Atom“ bezeichnet dabei nicht die Bewaffnung, sondern den Antrieb. Atom-U-Boote können sehr lange unter Wasser bleiben. Sie werden für den Atomkrieg gebaut. Russland hatte davon 16 Stück.

Die Größe solcher U-Boote hat wenig zu sagen. Die deutschen Jagd-U-Boote sind weit kleiner und zählen zu den besten und gefährlichsten der Welt. Wenn Deutschland nur eines dieser U-Boote verkauft, schnellen die Waffenexporte in die Höhe. Denn sie sind sehr teuer und viele Länder wollen sie haben.
Die großen Atom-U-Boote haben Angst vor diesen kleinen Jägern.

Diese Atom-U-Boote müssen so groß sein. Weil sie interkontinentale Raketen transportieren sollen. Und die alleine sind ja schon so hoch wie ein mehrstöckiges Haus. Solche U-Boote werden militärisch als SSBN (ship submersible ballistic nuclear) bezeichnet.

Die Oscar II Klasse ist recht bekannt, weil die 2000 untergegangene Kursk zu genau dieser Klasse gehörte.

Die Belgorod

Nun ist ein neues Schiff dieser Klasse, die Belgorod, an die Martine übergeben worden. Das bedeutet nicht, dass sie damit im Dienst ist. Nur, dass sie aus der Werft an die Streitkräfte gegangen ist.

Um es vorweg zu nehmen: Das hat aus mehreren Gründen nichts mit der Ukraine zu tun.
Denn zum ersten kommt das Schiff gar nicht ins schwarze Meer. Zum zweiten hat Russland vier Flotten: Die Nordmeer-Flotte, die baltische Flotte, die Pazifik-Flotte und als kleinste die Schwarzmeerflotte vor der Ukraine. Deren Flaggschiff Moskwa (Slava Klasse) im April von der Ukraine versenkt wurde. Die Belgorod soll in der Pazifikflotte dienen. Sie wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit nie in die Nähe der Ukraine oder Europas kommen.

Und zum dritten und letzten wurde das Schiff bereits seit 1992 geplant. Das war der NATO seitdem bekannt. Es ist also auch nichts weltbewegend Neues und Überraschendes.
Man sollte eher darüber nachdenken, dass Russland 30 Jahre gebraucht hat, um dieses Schiff zu bauen. Während ein anderes der gleichen Klasse schon gesunken ist. Das zeigt, dass Russland kein Geld für sowas hat.

Nun sollen noch vier weitere solcher U-Boote gebaut werden. Die nächste wäre die Khabarovsk, die im nächsten Jahr in Dienst gestellt werden soll. Sie wurde 2014 auf Kiel gelegt. Es kann sich also jeder vorstellen, wie realistisch das ist.

Das Ding hat nicht einmal Raketen

Die Belgorod wurde als „multi purpose“ Boot konstruiert, als „Multifunktionsschiff“.
Die primäre Aufgabe besteht darin, andere, unbemannte U-Boote und Drohnen dahin zu schleppen, wo sie eingesetzt werden sollen.
Man kennt sowas vielleicht aus James-Bond Filmen: U-Boote die an andere U-Boote andocken.

Damit könnte die Belgorod beispielsweise bestimmte Seeminen aussetzen. Und das ist die größte Sorge der NATO: Die Belgorod könnte bestimmte Minen dort platzieren, wo Kabel beispielsweise die USA und Japan mit Internet verbinden.

Und weil das natürlich noch mehr Platz braucht, hat man die ganze Sektion für die Raketen weggelassen. Das bedeutet, die Belgorod ist kein SSBN, sie trägt keine Raketen.
Militärisch betrachtet ist es also quasi unbewaffnet. Russland selber hat ihre Funktion vor allem zu wissenschaftlichen Zwecken herausgestellt.

Der Propagandist, der Tsunami und Großbritannien

Dmitri Kisseljow ist russischer Journalist. Aber er ist mehr als das. Er ist Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja.
Er wird gerne als „Chef-Propagandist“ Putins bezeichnet. Als einziger Journalist steht er auf der Sanktionsliste und darf nicht mehr in die EU einreisen. Es gibt von ihm mehrere Zitate gegen die Politik der EU; aber auch nationalistische, fremdenfeindliche und homophobe Äußerungen. Er ist 68 Jahre alt.

Im Mai drohte er in seiner propagandistischen Nachrichtensendung im staatlichen Fernsehen in einer dramatisch animierten Sequenz, die neue Unterwasserdrohne Poseidon könne einen 500 Meter hohen Tsunami auslösen. (Bild) Indem sie in einer Geschwindigkeit von 200 km/h ein einem Kilometer Tiefe einen thermonuklearen Sprengkopf von 100 Megatonnen zündet. Und damit Großbritannien von der Landkarte fegt.

International wurde das als Reaktion auf eine Rede der britischen Außenministerin Liz Truss gewertet. Die kurz zuvor bekräftigt hatte, dass Großbritannien weiter dabei helfen werde, Russland aus der Ukraine zu drängen. (Die Militärausgaben Großbritanniens liegen seit Jahren über denen Russlands.)

Dieser Auftritt führte auch in unseren Medien zu breiten Reaktionen und wird in der Berichterstattung zur Belgorod oft erwähnt.

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