Der Einsatz von Streumunition – Die andere Seite

Relationen sind nötig

Die USA haben Streumunition (Cluster Bombs) an die Ukraine geliefert. Gestern meldete die Washington Post, dass die Ukraine diese Munition bereits einsetzt.
Dieser Beitrag ist auch auf der Facebook Fanpage erschienen.

Streumunition ist nicht verboten! Es ist kein so genanntes Völkergewohnheitsrecht.
Es gibt eine Konvention der UN, in dem die Unterzeichnenden sich die Nutzung der Streumunition selber verbieten. Doch den haben nicht alle unterzeichnet.

Dazu habe ich bereits ein kurz & knapp veröffentlicht.

Geächtet ist die Munition, da sie immer wieder in zivilen Gebieten eingesetzt wurde.
Die gestreuten „Granaten“ lassen viele Blindgänger zurück und sind daher auch nach Jahren noch gefährlich. Gepanzerten Fahrzeugen oder Bunkern kann diese Munition wenig anhaben.

Etwas anders stellt es sich dar, wenn die Ukraine nun Cluster Bombs auf ihrem eigenen Territorium einsetzt. Dies soll vornehmlich zur Bekämpfung der befestigten russischen Stellungen geschehen. Und zur Bekämpfung der vielen Minenfelder, die die ukrainische Offensive bremsen und hemmen.
Die Ukraine hat keine ausreichenden Mittel, um diese Felder zu räumen. Geschweige denn unter Gefechtsbedingungen und Beschuss.

Selbstverständlich kann jeder den Einsatz der Streumunition für sich beurteilen wie er mag. Das meine ich so. Es gibt gute Gründe, sie abzulehnen.
Einen militärischen Sinn kann man ihm jedoch nicht absprechen. Um es moralisch beurteilen zu können, müsste man sich jedes konkrete Beispiel anschauen, wenn man gewissenhaft sein will.

Zur Einordnung sollte man sich auch bewusst machen, was Russland tut. Denn das hat nicht nur in Syrien Streumunition gezielt gegen Zivilisten eingesetzt. Sondern auch in der Ukraine.

Eine unvollständige Übersicht:

  • 24.02.2022
    Bereits am ersten Tag des Überfalls hat Russland das Zentralkrankenhaus von Wuhledar mit Streumunition zerstört. Das Krankenhaus war im Betrieb, mindestens vier Zivilisten wurden getötet.
    Der Angriff und die verwendete Munition (Iskander, Tochka; 9N123 cluster) wurden durch die UN und Human Rights Watch dokumentiert.
  • 25.02.2023
    Am nächsten Tag wurde die Grundschule in Ochtyrka durch Cluster Bombs zerstört. Die UN hat dies dokumentiert. (220-mm Uragan) Mindestens zwei Erwachsene und ein Kind wurden getötet.
  • 25.02.2022 – 28.02.2022
    Während eines langen Beschusses von Charkiw wurden bei mindestens vier Angriffen Cluster Bombs eingesetzt. Laut UN wurden dabei mindestens neun Zivilisten getötet. Nach insgesamt elf Tagen Bombardement wurden etwa 450 Zivilisten getötet. Wohnhäuser, Schulen und Geschäfte wurden zerstört. Human Rights Watch dokumentierte den Einsatz von 9M55K Smerch.
  • 04.03.2022
    Angriff mit Cluster Bombs auf Pokrowsk. Derzeit besetzt, nicht dokumentiert.
  • 07.03.2022 – 13.03.2022
    Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen berichten von Einschlägen, wie sie für Cluster Bombs typisch sind. Human Rights Watch dokumentiert später, dass Cluster Bombs (Smerch, Uragan; 9N210) eingesetzt wurden. Bei einem der letzten Angriffe am 13. März alleine starben mindestens neun Zivilisten, als sie in einer Reihe vor einem Geldautomaten warteten.
  • 27.03.2022
    Angriff mit Cluster Bombs auf Krasnogorowka. Derzeit besetzt, nicht dokumentiert.
  • März 2022 – April 2022
    Die Stadt Mariupol wird massiv durch Raketen, Bomben, Brandmunition und auch Cluster Bombs angegriffen. Dies konnte auch durch Videos bestätigt werden. Die Dokumentation ist schwierig, da Mariupol nun russisch besetzt ist. Amnesty International konnte jedoch zumindest den Einsatz nachweisen. Laut damaligem Bürgermeister von Mariupol wurden bei den Angriffen mehr als 20.000 Menschen getötet. Mehr als während der zweijährigen Besetzung während des zweiten Weltkriegs.
  • 08.04.2022
    Aus Angst vor einem Angriff wartet eine Menschenmenge vor dem Bahnhof von Kramatorsk, um die Stadt verlassen zu können. Diese Menschenmenge wurde mit Cluster Bombs (Tochka-U) beschossen. 63 Zivilisten starben, darunter neun Kinder. Die gefundene Trägerrakete wies die Aufschrift auf „ЗА ДЕТЕЙ“ (za detey), was so viel bedeutet wie „(Rache) für die Kinder“.
  • 17.04.2022
    Mindestens vier Menschen wurden durch Cluster Bombs getötet, als sie in Charkiw versuchten Blindgänger zu räumen. Dokumentiert.
  • 22.04.2022
    Angriff mit Cluster Bombs auf Slawjyansk. Derzeit besetzt, nicht dokumentiert.
  • 08.05.2022
    Ein Zwölfjähriger stolpert über einen Blindgänger südlich von Charkiw und stirbt. Dokumentiert.
  • Butscha, Hostomel, Borodjanka
    Während der Gefechte wurden auch Cluster Bombs eingesetzt. Die Plattform Bellingcat konnte mindestens den Einsatz von Smerch und RBK-500 mit PTAB nachweisen. Mindestens 8 der 500 Getöteten in Butscha wurden durch Streumunition getötet. Das lässt sich durch die Gräueltaten, die vor dem Abzug vor allem der Tschetschenischen Söldner verübt wurden, schwer genauer ermitteln.

Darüber hinaus wurden von der New York Times und von Nachrichtenagenturen (u.a. Reuters) über viele weitere Einsätze Berichtet. Diese hatten die Informationen jedoch hauptsächlich aus ukrainischen Quellen, weshalb ich sie hier weggelassen habe.

Die Nachweise sind natürlich immer nachlaufend, da die Dokumentation in umkämpften Gebieten schwierig ist.

Wie auch bei dem „Manifest für Frieden“ und den vielen ähnlichen Äußerungen, aktuell u.a. von Sahra Wagenknecht, ist es absurd, über Cluster Bombs zu sprechen, ohne die russische Seite zu erwähnen.

Das ist kein Whataboutism. Der Unterschied ist entscheidend.
Die Ukraine will Cluster Bombs auf ihrem eigenen Territorium zur Abwehr gegen einen Aggressor einsetzen. Russland setzt Cluster Bombs gegen die Bevölkerung eines Landes ein, dass es überfallen hat und vereinnahmen will.

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