Wissenschaftliche Grundlagen erklärt anhand von Fremdkörpern im Mastdarm

Empirie zum Nachfühlen

Jeder Mensch stellt sich ständig Fragen. Zumindest jeder halbwegs intelligente. Es soll auch Menschen geben, die das nicht tun. Die sitzen dann meist in einer Behörde und formulieren Normen für Kunstrasen. Alkoholisierte Mitglieder von Kegelvereinen an der Mosel sind ebenfalls selten erkenntniskritisch.

Warum tragen Kamikaze-Piloten Helme? Woher wissen Uhrzeitkrebse die Uhrzeit? Wenn Hunde einen Polizeihund sehen, denken die dann „Scheiße, die Bullen!“? Warum heißen Doppelhaushälften nicht einfach Haus?

Wissenschaft bedeutet nichts anderes, als zu versuchen, solche Fragen methodisch zu beantworten.
Wichtig dabei ist, dass es methodisch passiert. Zumindest in empirischen Wissenschaften besteht ein großer Teil des Studiums erstmal nur daraus, die Regeln dieser Methodik zu lernen.

Dieses methodische Vorgehen unterscheidet die Wissenschaft von Glauben, Mutmaßen und Meinen.
Eine Meinung bildet sich jeder Mensch sofort zu allem. Das läuft automatisch, wir können uns gar nicht dagegen wehren. Meinungen sind ein unbewiesenes Fürwahrhalten. Deshalb sind Meinungen wie Arschlöcher: Sowas hat jeder.
Meinungen sind nicht gleichwertig mit Fakten und man muss auch keine Meinung akzeptieren.

Man kann es schwer schöner formulieren als der Kabarettist und Physiker Vince Ebert: Wenn ich glaube, es ist ein Bier im Kühlschrank, bin ich Theologe. Wenn ich nachgucke, bin ich Wissenschaftler. Wenn ich nachgucke, kein Bier finde und trotzdem behaupte es ist Bier drin, bin ich Esoteriker.

Empirische Wissenschaft

„Empirisch“ ist die systematische Sammlung von Daten. (Empeiria = Erfahrung) Im besten Fall werden Erkenntnisse empirisch, also mit Daten, belegt.

Studiert jemand rumänische, feministische Poesie des ausgehenden 18. Jahrhunderts und schreibt eine Interpretation zu einem Gedicht, ist das nicht empirisch. Es ist seine Interpretation. Die Empirie will aber Zahlen und Fakten.

Weshalb empirische Wissenschaftler (Mathe, Naturwissenschaften, etc.) gerne auf solche „weichen“ Studienfächer herabblicken. Weil diese Regeln bei ihnen viel härter sind. So hat sich sogar schon Immanuel Kant im 18. Jahrhundert geäußert. Der berühmte Typ mit dem kategorischen Imperativ und dem Judenhass und so.
(Was sagt man zu einem Tanzpädagogen im Anzug? „Einmal das Spar Menü 3 mit Cola, bitte.“)

Die meisten Probleme bei wissenschaftlichen Studien tauchen nicht in den Daten auf. Die sind immer eindeutig.
Auch Wissenschaftler begehen sehr häufig Fehler in der Interpretation und Schlussfolgerung. Oder versuchen etwas zu verkaufen, obwohl die Studie das gar nicht hergibt. Damit habe ich tatsächlich in meinem Job ständig zu tun.

Die Hypothese

Man stellt sich also eine Frage, sammelt Daten und zieht daraus ergebnisoffen ein Ergebnis.
Vorher vormuliert man meist eine Hypothese (Eklasia). Eine mögliche Antwort auf die Frage.

Beispielsweise wenn man sich fragt, wie intelligent eine Personengruppe im Vergleich zum Durchschnitt ist. Eine Hypothese könnte lauten: „Querdenker lecken auch gelben Schnee.“
Dann müsste man hingehen und eine Befragung starten. Dafür gibt es dann wieder bestimmte Regeln. Möglichst zufällig ausgewählte Probanden, Kontrollgruppe, und so weiter.

Man unterscheidet auch den Wert solcher Daten. Selbstauskunft, also durch Befragung, ist weit unten auf der Skala. Schöner wäre es, eine möglichst große Personengruppe jeweils einzeln mit gelbem Schnee in einem Zimmer einzusperren, die gar nicht wissen, dass sie an einem Experiment teilnehmen. Bis sie Durst bekommen. (Vermutlich Probleme mit Ethikkomissionen, diese elenden Spießer!)

Wenn Wissenschaftler von „Arbeitshypothese“ sprechen, bedeutet dass, dass sie einen Synapsenfurz hatten und es wahrscheinlich von vorn herein Blödsinn ist. Und sie das wissen. Sonst hätte der Begriff „Hypothese“ nämlich gereicht.

Der Sinn von Grundlagenforschung

Um aber überhaupt auf solche Fragen zu kommen, die es wert wären wissenschaftlich ausgewertet zu werden, gibt es Grundlagenforschung und Datenerhebung. Denn die Wissenschaft ist schon so weit, dass man nicht einfach von selber auf solche Fragen kommt.
Ein schöner Spruch lautet: Umso mehr wir wissen, umso mehr Fragen ergeben sich.

Also werden einfach erstmal möglichst viele Daten gesammelt. In Umfragen, Versuchen, Laborexperimenten, und so weiter.
In der Medizin und klinischen Psychologie werden diese als Fallbeschreibungen aufgenommen und veröffentlicht. Im alten Studium zum diplomierten Psychotherapeuten mussten die Studenten beispielsweise immer auch lernen, wer der erste dokumentierte Fall war und wer ihn dokumentiert hat. Das kennt man vielleicht aus amerikanischen Gerichts-Thrillern: Präzedenzfall Jener gegen Jenen, Urteil durch dieses und jenen Gericht.

An einem Beispiel wird es verständlicher.

Dokumentation rektaler Fremdkörper

Der erste dokumentierte Fall eines rektal eingeführten Fremdkörpers stammt aus dem 16. Jahrhundert.
Das Geschlechterverhältnis bei dokumentierten rektal eingeführten Fremdkörpern beläuft sich auf etwa 28 Männer zu einer Frau. Eine Metastudie kommt auf 37:1.

Röntgendiagnostik eines
Zahnputzbechers im Darm.
Foto: Hellerhoff, (CC BY-SA 3.0)

Die häufigste Ursache ist autoerotische Stimulation (mindestens 80%). Wobei die Ursachen schambehaftet sind und schwer zu erforschen. Menschen mit einer Luftpumpe im Darm scheinen überraschend selten Fragebögen ausfüllen zu wollen.
Das Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren. Die Standardabweichung beträgt 16,6 Jahre. Was darauf hindeutet, dass junge Menschen offenbar seltener anale Stimulanz bevorzugen.

Nach der Exekution des Serienmörders Albert Fish stellte man bei der Obduktion 1936 ein Dutzend Nadeln fest, die „in seiner Hüfte steckten“.

Klinisch relevante rektale Fremdkörper sind gut dokumentiert, unter anderem durch David B. Busch und James R. Starling, wofür sie mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. (Rectal foreign bodies: Case Reports and a Comprehensive Review of the World’s Literature, 1986)
Weitere veröffentlichende Autoren sind unter anderem M. C. Laitenberger (Dissertation 2005), H. Messmann (2004) und J. E. Barone (1976).

Thematisch zu unterscheiden ist von der Dissertation von Dr. Theimuras Michael Alschibaja mit dem Titel „Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern“ (TU München, 1978). Und zu unterschieden ist die autoerotische Atemkontrolle. Den Sänger der Band INXS Micheal Hutchence hatte man nach offenbar missglückter Masturbation hängend im Schrank gefunden.

Beispiele (Auszug)

Ein Auszug der in der Fachliteratur dokumentierten Gegenstände, die anal bzw. rektal eingeführt wurden und medizinisch entfernt werden mussten:

Sexspielzeug (Vibrator, Butt Plug, Dildo, Vaginalkugeln), Haarnadel, Bleistift, Kerze, Spraydose, Spraydosendeckel, Obst (Karotte, Zwiebel, Ingwer, Banane, Apfel), eine Tageszeitung, Sektflasche, Glühbirne, Gräten, Zahnputzbecher, Cola Flasche, Vase, Tischtennisball, Bocciakugel, Tassen, Gewehrmunition, Schraube, Marmeladengläser, Schraubenzieher, Dosenlocher, Knochensplitter, Rasierwasserflasche, Biergläser, Zahnbürstenetui, Stuhlbein, eine zusammengerollte Werkzeugtasche inklusive Werkzeug, ein gefrorener Schweineschwanz und ein Aal

Besondere Erwähnung

Röntgendiagnostik eines
durchschnittlichen Patienten
mit einem Fremdkörper im Rektum.

Besonders zu erwähnen sind der Patient, der versuchte seinen Durchfall dadurch zu therapieren, dass er sich einen Maiskolben einführte. Weiterhin der Patient, der versuchte seinen durch Hämorrhoiden verursachten Juckreiz mittels Zahnbürste zu lindern, welche ihm dabei „außer Kontrolle geriet“. (M. Kumar, „Don’t forget your toothbrush!“ In: British Dental Journal Band 191)

Als Extrembeispiele sind der Patient zu nennen, der sich 1987 einen Einlauf aus Zement verabreichte und der Patient, der sich 1953 vermittels einer eingeführten Pappröhre einen brennenden Feuerwerkskörper applizierte.

Wenige Fälle müssen durch einen operativen Eingriff behoben werden. Häufig kommen Polypektomie-Schlingen oder Geräte zur Geburtshilfe zum Einsatz. Medizinisch auch als Extraktion bei lokaler Anästhesie bezeichnet.

Mögliche Hypothesen

Aus dieser Datenlage lassen sich nun sehr einfach Hypothesen formulieren, die methodisch und empirisch belegt werden müssten:

  1. Männer sind Vollidioten (weitestgehend unmethodisch belegt)
  2. Es gibt tatsächlich Entwürdigenderes, als Neologismen der AfD und der Versuch von Männern mit Bierbauch, sich selber einen zu blasen.
  3. Warum nur, warum?
  4. Die Menschheit ist im Arsch.

Postscriptum: Ja. Ein Lebender Aal.
Pps.: Schon gut. Spätestens bei Tageszeitung reißt es mich auch immer.

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