Wie Elon Musk in den Krieg eingriff

Von russischen Hackern, Starlink und der CIA

Starlink für die Ukraine

Musk stimmte zu. Es kam zu einer Videoschaltung mit Präsident Selenskyj und zwei Tage später wurden 500 Starlink Terminals in die Ukraine geliefert. Später folgten 2000 weitere über Polen.

Warum diese Vorgänge nicht öffentlich wurden, liegt nachrichtendienstlich auf der Hand. Starlink wollte keinen frühen Angriff der Einheit 74455 riskieren und die Ukraine wollte Russland darüber im Unklaren lassen, ob sie wieder kommunizieren kann.

Doch einige der Terminals konnten nicht betrieben werden. Da Russland begonnen hatte, die Stromversorgung der Ukraine anzugreifen. Also schickte Starlink auf einen knappen Satz Musks an seine Starlink Direktorin Lauren Dreyer hin auch Solaranlagen und Batterien.
In der ersten Woche des März 2022 fanden regelmäßige Besprechungen Musks mit den Ingenieuren von Starlink statt.

Die Vorgänge sind dokumentiert. Am 06. März lieferte Starlink eine Stimmverbindung für die Brigade für Spezialoperationen. Es wurde eine direkte Verbindung zwischen der Ukraine und dem Kommando für Spezialoperationen der USA hergestellt. Das ukrainische Fernsehen konnte wieder senden.
Innerhalb weniger Tage wurden weitere 6000 Terminals und Antennen geschickt, bis Juli waren 15.000 Terminals in der Ukraine im Betrieb.

Eine millionenschwere Werbeaktion

Diese Hilfe war sicher alles andere als gemeinnützig. Auch wenn Musk versuchte, es immer wieder so darzustellen.
Für Starlink war das alles eine hervorragende Werbeaktion. Viele Militärs, vor allem innerhalb der NATO, verfolgten die Vorgänge. Die durch die Verbindung mit den Amerikanern natürlich recht offen waren.

„Der Konflikt in der Ukraine hat Musks und SpaceX‘ frisch gebackenem Satelliten Netzwerk eine Feuerprobe geliefert, die vielen westlichen Streitkräften Appetit gemacht hat.“

Politico, Matthew Holland, „UkraineX: How Elon Musk’s space satellites changed the war on the ground“, 08.06.2022

„Das SpaceX Satelliten-Internet hielt die Truppen an der Front in Verbindung, wo normale mobile Verbindungen versagten.“

Wall Street Journal, Yaroslav Trofimov, „Ukraine Leans on Elon Musk’s Starlink in Fight Against Russia“, 16.06.2022

Die Hälfte der Kosten wurde von SpaceX übernommen. Musk schätzte die Kosten auf 80 Millionen Dollar.
Zum Vergleich: Der teuerste Werbespot war ein Spot von Bud Light in der Halbzeitshow des Superbowls 2014 für 12 Millionen Dollar. Produktionskosten und weitere Ausstrahlungen nicht einberechnet.

Die andere Hälfte der Kosten wurde durch die USA, Großbritannien, Polen und anderen getragen. Der Milliardär Marc Benioff spendete eine weitere Millionen, der britisch-amerikanische Historiker und vorherige Harvard Professor Niall Ferguson versuchte fünf Millionen zu sammeln.

Gespräche mit Russland

In seinem Buch beschreibt Isaacson, wie er während eines Football-Spiels seiner alten High School im September 2022 einen alarmierten Anruf Musk erhielt. („voller, muskischer Krisen-Held-Modus“)

Die Ukraine plante mit sechs Unterwasser-Drohnen die russischen Schiffe im Hafen von Sewastopol anzugreifen. Dort ist die Schwarzmeer-Flotte Russlands beheimatet. Militärisch dürfte dieser Hafen einen nicht unbedeutenden Teil von Putins Appetit auf die Krim ausmachen.
Zur Fernsteuerung hätten die Drohnen natürlich die Starlink Kommunikation genutzt.

In diesem Gespräch sagte Musk, er habe bereits mit dem russischen Botschafter in den USA gesprochen. In späteren Gesprächen mit anderen soll Musk angedeutet haben, er habe mit Putin direkt gesprochen.
Und der Botschafter habe Musk zu verstehen gegeben, dass jeder direkte Angriff auf die Krim zu einer nuklearen Eskalation führen würde. Was, wie wir heute nach vielen Angriffen wissen, als eine weitere leere Drohung Russlands gesehen werden muss.

An dem Punkt gehen die Darstellungen nun auseinander.
Musk selber veröffentlichte auf Twitter, Starlink habe die Verbindung nicht abgeschaltet. Es habe die Krim von vorn herein gar nicht abgedeckt.
Isaacson widerspricht dem. Er schildert sogar detailliert, wie die Drohnen „an Land gespült wurden“ und Musk erschrockene und hektische Anrufe aus der Ukraine bekam.

In einem späteren Gespräch mit dem Sicherheitsberater Jake Sullivan und dem Vorsitzenden des Generalstabes General Mark A. Milley weigerte Musk sich, die Verbindung wieder anzustellen. Er wolle nicht, dass Starlink für „offensive Operationen“ genutzt würde. Und er sprach erneut mit dem russischen Botschafter.

„Fucking Drones“

Im Oktober 2022 schaltete Starlink auch die Verbindung in anderen von Russland besetzten Gebieten ab. Musk argumentierte dies damit, nicht länger die Kosten tragen zu wollen. Isaacson sagt, Musk fühlte sich nicht ausreichend gebauchpinselt.

Die Präsidentin von SpaceX sprang Musk zur Seite. Es sei in Ordnung, humanitäre Hilfe anzubieten. Doch es sei nicht ok, wenn ein privates Unternehmen in einen Krieg eingreift.
Man mag zu dem Eindruck gelangen, dass derjenige, der euphorisch Twitter übernommen hat um die Freiheit der Kommunikation zu retten, auch dort wie ein Superheld zur Hilfe eilen wollte. Was ja auch schon bei Twitter gehörig nach hinten los gegangen ist. Und beeinflusst durch russische Drohgebärden gemerkt hat, dass es um mehr geht. Viel mehr.

„Ursprünglich gaben wir den Ukrainern freien Service für humanitäre und defensive Zwecke, um ihre Krankenhäuser und das Banksystem aufrecht zu erhalten. Aber dann begannen sie, es auf verfickte Drohnen zu packen und zu versuchen russische Schiffe hochzujagen. Ich biete gerne Service für Krankenwagen, Krankenhäuser und Mütter. Das ist, was Unternehmen und Menschen machen sollten. Aber es ist falsch, für militärische Drohnenangriffe zu zahlen.“

Gwynne Shotwell, Präsidentin SpaceX, zitiert in: „»How am I in this war?«: The untold story of Elon Musk’s support for Ukraine“, Walter Isaacson, Washington Post, 07.09.2023

Vielleicht hatte sich da die Vorstellung verselbstständigt, es gäbe so etwas wie „offensive“ und „defensive“ Waffen, die ja auch von deutschen Politikern gerne argumentiert wird. Missachtend, dass alles, was die Ukraine gegen Russland tut, völkerrechtlich und moralisch defensiv ist. Denn sie sind das Opfer, nicht der Angreifer.
Das wirft bei mir die Frage auf, was Musk wohl seit März dachte, was ein Bataillon für Spezialoperationen tut.

Besorgniserregend unbedarft

Shotwell verhandelte mit dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium. Diese kauften SpaceX die Starlinks Verbindungen für die Ukraine ab. Es wurde vereinbart, dass das Pentagon für die Leistungen zunächst 145 Millionen Dollar zahlen würde. Damit war das Argument der Kosten also eigentlich vom Tisch.

Eigentlich. Denn das passte Musk offenbar wiederum persönlich nicht. Er fühlte sich wohl übergangen, nachdem ein Bericht über die Verhandlungen veröffentlicht wurde. „Zur Hölle damit,“ twitterte er, „obwohl Starlink immer noch Geld verliert und andere Unternehmen Milliarden von Dollars der Steuerzahler bekommen, unterstützen wir die ukrainische Regierung weiterhin kostenlos.“

Darauf reagierte die Präsidentin des eigenen Unternehmens mit „lächerlich“. „Das Pentagon hat einen Scheck über 145 Millionen Dollars bereit, um ihn mir zu geben. Wortwörtlich. Dann unterliegt Elon dem Bullshit auf Twitter und den Hatern des Pentagon, welche die Geschichte geleakt haben.“

In die weiteren Verhandlungen hat sich dann auch die CIA direkt eingeklinkt. Scheinbar wurde Musk dadurch zurechtgestutzt.
Inzwischen hat Starlink ein eigenes Unternehmen gegründet, genannt Starshield. Das ist nur noch für die militärische Nutzung der Satellitenkommunikation zuständig. Und die US-Regierung bestimmt, wie diese Kommunikation eingesetzt wird.

Persönlich kann ich mich nicht gegen das Bild wehren, dass ein Milliardär aus sehr persönlichen Motiven kindlichen Vorstellungen nachhängt, sich selber als Retter der Menschheit sehen zu wollen. Und in seiner Welt aus Millionen und Milliarden die Relationen verloren hat. Und vergessen hat, was wirkliche Macht bedeutet.

Die zukünftige Aufgabe wird sein, Sicherheit neu zu denken. Alleine die Tatsache, dass irgendwo auf der Welt Truppen die Grenze zu einem anderen Land überschreiten und die Turbinen einer deutschen Firma ausfallen, sollten zu denken geben.
Weder die Ukraine noch andere haben bisher eine Alternative gefunden, um Starlink zu ersetzen. Was viel besorgniserregender ist. Denn all das wurde verursacht durch die Einheit 74455. Ein paar Nerds in einer Etage des Novator-Bürogebäudes bei Moskau.

Anfang 2023 wurden weitere 100.000 Terminals in die Ukraine geschickt.

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