Ukraine in die NATO

Der Medienhype für Dummies erklärt

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+ Um es vorweg zu nehmen: Nichts wird passieren! Kein Beitritt, kein Krieg, keine Eskalation, nichts mit Russland!

+ Morgen trifft sich die NATO zu einem Gipfel in Vilnius in Litauen. Also zu einer Konferenz mit vielen verschiedenen Gesprächsrunden. „Die NATO“, „die NATO-Führung“ oder ähnliche Formulierungen sind bereits missverständlich: Es treffen sich keine Militärs, sondern die politischen Vertreter der Mitgliedsstaaten der NATO. Jedes Land schickt Delegationen, und da werden sicher auch Militärs dabei sein. Die in den meisten Ländern aber nichts zu entscheiden haben.

+ Deshalb sind die Medien jetzt voll. Denn alle Politiker hauen vorher ein Statement raus, welches die Position ihres Landes klar macht. Deshalb sind die Medien derzeit so voll, weil die natürlich über jede Äußerung berichten.

+ In Vilnius wird sich auch der Rat innerhalb der NATO zusammensetzen, der sich mit der Ukraine befasst. Das wird aber sicher nicht das einzige Thema sein. Sicher werden einzelne Gespräche auch über die Verteidigungsausgaben oder beispielsweise Sky Shield stattfinden.

+ Der Gipfel ist so ein großes Ereignis, weil auch die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten dort sein werden. Das ist aber diplomatisch zu verstehen und mehr etwas für die Pressekameras. Nach dem Motto Einigkeit demonstrieren. Und weil der „Ukraine-Rat“ berät, wird auch der ukrainische Präsident Selenskyj kommen.

+ Die Ukraine will schon länger in die NATO. Aber das dauert lange. Die Länder müssen bestimmte Bedingungen erfüllen. Und alle Länder müssen zustimmen. So etwas dauert manchmal Jahre. Das passiert also nicht von heute auf morgen. Das weiß auch die Ukraine. Die wollen ein diplomatisches Signal haben, ob die meisten mit ihrem Beitritt einverstanden wären. Und sie wollen einen Ablaufplan, also welche Bedingungen sie erfüllen müssten, um beitreten zu können. Es geht also nicht einmal um Vorverhandlungen, sondern um Zeichen, damit solche Vorverhandlungen überhaupt beginnen könnten.

+ Mitglied in der NATO kann ein Land nur werden, dass sich nicht im Krieg befindet. Der Beitritt der Ukraine ist also ausgeschlossen.

+ Der amerikanische Präsident Biden hat deshalb gestern auf den Tisch gehauen und ganz klar gesagt, dass die Ukraine erst Mitglied werden könnte, wenn der Krieg mit Russland beendet ist. Wenn ein Politiker etwas so deutlich sagt, dann ist das immer ein Zeichen. In dem Fall wollte er wohl unterbinden, dass alle aufgeregt durcheinanderquetschen und dadurch das Verhältnis zu Russland noch angespannter wird.

+ Für einen Beitritt müssen alle Länder zustimmen. Sagt einer nein, dann wird nichts draus. Es ist egal, ob die USA, Deutschland oder die Türkei nein sagen.

+ Der türkische Präsident Erdogan hat nun vor dem Gipfel nochmal richtig gepokert. Die Türkei blockiert den Beitritt Schwedens zur NATO. Als Grund wurde vor allem angegeben, Schweden würde die Kurden unterstützen oder zumindest dulden. Also die PKK, die YPG/PYD und die Gülen-Bewegung, die alle von der Türkei als Terrororganisationen angesehen werden. Nun hat er gesagt, er würde „den Weg frei machen“. Aber darüber müsse erst das Parlament entscheiden. Das ist Diplomatensprech für: „Gibt’s Du mir, geb‘ ich Dir“. Einmal hat er den Verkauf von F-16 durch die USA an die Türkei aufs Tablett gebracht, einmal fordert er eine engere Kooperation mit Schweden bei der Terrorismusbekämpfung und ganz nebenbei hat er überraschend auch wieder den Beitritt zur EU erwähnt. Er hält sich also diplomatisch die Tür offen, indem er sagt: „An mir liegt es nicht, ich lege es dem Parlament gerne zur Abstimmung vor, aber dafür ist es besser, wenn Ihr uns etwas entgegenkommt.“

+ Russland rührt nun natürlich die Propagandaschüssel. Der Sprecher des Kremls Peskow sagte „Eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO wird sich sehr, sehr negativ auf die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas auswirken, die eh schon zur Hälfte zerstört ist. Es ist eine absolute Gefahr für unser Land, die deshalb eine klare und harte Reaktion von uns verlangt.“
Das wird nun von vielen Medien prominent zitiert, weil es als Drohung natürlich Ängste schürt. Zu verstehen ist das jedoch als Propaganda im Inneren, um die angebliche Bedrohung durch die NATO aufrecht zu erhalten.
Natürlich wird auf sämtlichen Medien – die alle inzwischen verstaatlicht sind – erneut von einer Eskalation gesprochen. Außerdem sei die Gegenoffensive der Ukraine gescheitert. Obwohl sie noch läuft, derzeit sogar recht erfolgreich.

+ Vor diesem Hintergrund ist auch das Handeln Erdogans zu sehen. Denn der hat noch einen recht guten Draht zu Putin und hat sich immer wieder als Vermittler angeboten.
Ausgerechnet vor dem Gipfel hat die Türkei aber kriegsgefangene Offiziere des Regiments Asow zurück in die Ukraine gelassen. Diese waren von Russland an die Türkei ausgeliefert worden, unter der Maßgabe, dass sie erst nach dem krieg in die Ukraine zurückdürfen. Die Empörung in Russland war groß.
Und jetzt hat er sich sogar für einen Beitritt der Ukraine ausgesprochen. Er hat damit im Grunde dem Kreml den Mittelfinger gezeigt. Und will sich gegenüber der NATO als „starker Mann am Bosporus“ in Szene setzen.

+ Egal was die Schlagzeilen Titeln oder was der Kreml dazu sagt: Es wird in absehbarer Zeit keinen Beitritt der Ukraine zur NATO geben.
Daher sind auch die vielen Meldungen in den Medien irreführend und die Reaktion des Kremls wie üblich aufgebauscht.

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