These: Die Corona-Impfung wirkt nicht

Sie wirkt. Nur anders, als viele erwarten.

Bis heute wird in Kommentarspalten kolportiert, die Corona-Impfung würde nicht wirken. Und auf den ersten Blick scheint das naheliegend. Weil sich ja auch Geimpfte infizieren. Trotzdem ist die Behauptung schlicht Populismus. Sie soll diejenigen abholen, die sich auf ihren gesunden Menschenverstand verlassen.

Die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe wird mit 90 Prozent und mehr angegeben. Was sehr viel ist. Grippeimpfstoffe bleiben meines Wissens unter 75 Prozent.

Diese Zahl wird immer wieder von Medien und auch Organisationen aufgegriffen. Offenbar haben viele Menschen dadurch die Vorstellung, die Impfung würde sie selber zu 90 Prozent vor einer Infektion schützen.

Geht man davon aus und sieht dann, dass immer mehr Geimpfte sich infizieren, liegt es nahe, die Impfung für wirkungslos zu halten.
Das Problem liegt wie so häufig nicht in der Wissenschaft. Sondern im Unverständnis und der Kommunikation.

Der ungemeve-Impfstoff

Sollte ich jemals einen Impfstoff auf den Markt bringen wollen, werde ich zur Zulassung einen so genannten klinischen Teil machen müssen. Also ihn am Menschen testen.
Ich muss irgendwie beziffern können, wie wirksam mein Impfstoff ist. Doch das ist natürlich super-komplex. Es hängt beispielsweise von der Inkubationszeit oder der Virenlast ab. Ich kann die Menschen ja nicht einfach aufschneiden und unters Mikroskop legen.

Das wird viele erschrecken: Es wurde noch nie nachgewiesen, wie ein Schlaganfall oder Krebs verursacht wurde.
Man kann sich dem nur annähern. Indem man möglichst viele Daten sammelt.

Raucht jemand jahrzehntelang und bekommt dann COPD, kann das Zufall sein. Vielleicht arbeitet er in einer Bäckerei; wegen dem Mehlstaub statistisch einer der gefährlichsten Berufe.
Also muss ich mir die Statistiken anschauen. Sehe ich dann, dass ganz viele Raucher Lungenkrebs bekommen und Nichtraucher kaum, ist die Erklärung naheliegend. Wirklich nachgewiesen ist das in dem Einzelfall dadurch nicht.

Wissenschaft: blind und zufällig

Also muss ich das irgendwie exemplarisch machen. So dass man einen Vergleich hat. Einmal zu anderen Impfstoffen, und einmal zu Ungeimpften.

Also schnappe ich mir – sagen wir mal – 2000 Menschen. Umso mehr, umso besser. Die muss ich am besten zufällig (randomisiert) aussuchen. Und dann teile ich sie in zwei Gruppen. Den Menschen in der einen Gruppe gebe ich meinen Impfstoff, der anderen Gruppe (Kontrollgruppe) gebe ich Kochsalzlösung. Damit sie nicht wissen, ob sie nun geimpft sind, oder nicht (Blindversuch).

Damit habe ich einen randomisierten Blindversuch mit Kontrollgruppe. Das ist wissenschaftlich schon oberste Liga. Sehr aufwändig, sehr teuer.

Es geht um Verhältnisse

Nach einem bestimmten Zeitraum gucke ich dann nach, wie viele aus beiden Gruppen sich infiziert haben.
Haben sich aus der ungeimpften Gruppe mehr Menschen angesteckt als aus der geimpften, errechne ich die Differenz. Meinetwegen in der Kontrollgruppe 100 Menschen und in der Testgruppe nur zehn. Dann kann ich sagen, mein Impfstoff ist zu 90 Prozent wirksam.
Diese 90 Prozent sind dann die „relative“ Wirksamkeit. Also die Geimpften in Relation zu den Ungeimpften.

Natürlich ist das alles viel komplizierter. Aber das macht vielleicht deutlich, dass diese 90 Prozent bei Corona-Impfstoffen nur eine Kennzahl sind. Etwas, wodurch Wissenschaftler einschätzen können, wie wirksam ein Impfstoff ist. Im Vergleich zu anderen Impfstoffen. Wie bei einem Motor, der 500 PS bringt. Ob er die auf die Straße bringt, kann bei gleichem Motor bei einem Trabbi und einem Formel-1-Wagen völlig unterschiedlich sein.
Es bedeutet eben nicht, dass der einzelne Geimpfte nun zu 90 Prozent geschützt ist.

So viele Faktoren

Das tatsächliche Risiko ist bei jedem Menschen anders.
Denn es ist eben nicht so, dass ein einziger Virus von einem zum anderen Menschen überspringt und dann zur Infektion führt. Sondern es springen ganz viele. So viele, dass man sie nicht zählen kann.

Sagen wir mal, ein Infizierter spricht mit einem Gesunden, und dabei landet ein Spucketröpfchen an seinem Mund. Das ist normal, das merkt der nicht einmal. In diesem Tröpfchen sind 1000 Viren enthalten.
Der Gesunde bekommt 10 Viren an seine Schleimhäute und sie dringen in den Körper ein. Beispielsweise über den Mund oder die Augen.

Diese 10 Viren werden absolut nichts machen. Denn viele werden direkt vom Körper abgetötet. Einige schluckt er runter; und nicht einmal Viren überleben die salzsäurehaltige Magensäure. Es bleiben also nur ganz wenige über. Die dann an eine Zelle andocken müssten, um sich vermehren zu können.

Hihi, die knuuutschen

Aber nun stellen wir uns einmal vor, der Infizierte spricht nicht nur mit dem Gesunden, sondern die knutschen. Es ist ja logisch, dass dabei viel mehr Viren übertragen werden. Es ist also viel wahrscheinlicher, dass dabei Viren durchkommen, die andocken und sich vermehren können.

Außerdem kommt es ja darauf an, wie häufig man Kontakt man mit anderen Menschen hat. Knutscht man nur mit einem oder mit zehn?
Ich selber bin inzwischen völliger Einzelgänger. Mit Büro zu Hause. Den meisten Kontakt mit anderen Menschen habe ich beim Einkaufen. Auf Armlänge. Mein Kumpel ist Tätowierer mit zwei schulpflichtigen Kindern und einer Lebensabschnittsgefahr im Gesundheitsbereich. Er ist also ständig viel mehr Menschen direkt und indirekt ausgesetzt (Exposition). Sein Risiko ist exponentiell höher als meins.

Nur einmal angenommen, ich hätte einen Schutz von x Prozent, mich zu infizieren, wenn ich einen Infizierten treffe. Laut Wahrscheinlichkeitsrechnung (Stochastik) halbiert sich der Schutz, sobald ich zwei Menschen treffe. Bei vier ist er nur noch ein Viertel so hoch. Bei 20 Menschen wäre dieser Schutz theoretisch schon nicht mehr wirklich vorhanden.

Und ein weiterer Faktor ist natürlich entscheidend. Nämlich wie viele Viren übertragen werden.

Die Virenlast

In dem Beispiel waren wir davon ausgegangen, dass der Infizierte 1000 Viren überträgt.
Aber einmal angenommen er ist schon länger infiziert und die Viren haben sich in seinem Körper schon lustig vermehrt. Dann überträgt er eben nicht diese 1000 Viren. Sondern 100.000. (Vermutlich mehrere Millionen.)

Wie viele Viren vorhanden sind, bezeichnet man als Virenlast.
Also wie viele Viren ein Infizierter in sich hat. Das kann sich deutlich unterscheiden. Aber auch in einer ganzen Gesellschaft (Population) ist entscheidend, wie viele Menschen infiziert sind. Auch das bezeichnet man als Virenlast.

Mal angenommen, in einer Gesellschaft ist nur 1 Prozent infiziert. Dann ist die Virenlast viel kleiner, als wenn 10 Prozent infiziert sind.
Es ist somit auch ganz logisch, dass die Wahrscheinlichkeit sich zu infizieren viel höher ist, wenn viele Menschen infiziert sind.

Fazit

Es ist ein riesen Unterschied, ob ich am Tag mit 100 Menschen oder mit drei Menschen Kontakt habe. Und es ist ein Unterschied, ob von diesen 100 Menschen zehn oder nur einer infiziert sind. Und es ist ein Unterschied, wie nah ich Kontakt zu denen habe. Und es ist ein Unterschied, wie viele Viren insgesamt oder in den Infizierten im Umlauf sind.

Das alles ist so komplex, dass man das gar nicht in einer Zahl zusammenfassen kann. Weshalb ich es für völlig falsch halte, dass Organisationen, Wissenschaftler und Medien mit dieser „relativen Wirksamkeit“ öffentlich hausieren gehen.

Bei Unbedarften entsteht der Eindruck, durch die Impfung sei er nun zu einem gewissen Prozentsatz geschützt. Und das ist eben falsch.
Es ist psychologisch naheliegend zu glauben, dass die Impfung nicht wirkt. Denn wenn ich ständig erzählt bekomme, dass die Impfung zu 90 Prozent schützt, und plötzlich infizieren sich immer mehr Geimpfte, drängt es sich auf, dass die Impfung nicht wirkt.

Das liegt aber dann eben gar nicht an der Impfung. Sondern an meinem eigenen Verständnis, meiner Erwartungshaltung und an der Kommunikation. Und es ist natürlich eine Steilvorlage für Populisten, Spaltern und Impfskeptiker, die das ausnutzen, um andere aufzuwiegeln.

Nur aufgrund dieser Zahl kann niemand wirklich beurteilen, wie gut die Impfung wirkt.
Deshalb muss der, der sowas behauptet, eigentlich immer die Unwahrheit sagen. Das Risiko hat jeder selber in der Hand.

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