Russisches Flaggschiff versenkt

Vorgestern haben ukrainische Offizielle gemeldet, der Kreuzer „Moskva“ (Moskwa, Москва) sei durch zwei Raketen getroffen worden.

Zunächst veröffentlichte Russland, es habe eine Explosion in einem Munitionsdepot des Schiffes gegeben. Inzwischen hat Russland bestätigt, das Schiff sei beim Abschleppen aufgrund stürmischen Wetters gesunken.

Bekämpfung von Schiffen

Schiffe sind durch Kammern unterteilt. Diese sind durch dicke, feuer- und wasserdichte Türen getrennt, den so genannten Schotten. Bricht in einem Abschnitt ein Feuer aus, oder es dringt Wasser ein, schließt man diese Türen („Schotten dicht“). Das führt dazu, dass zwar eine dieser Zellen abbrennen oder fluten kann, das Schiff deshalb aber nicht untergeht.
Im Einsatz oder bei Munitionslagern sind diese Schotten üblicherweise immer dicht.

Es gab auch in jüngerer Vergangenheit immer wieder Schiffsunglücke, in denen die Schiffe aufgrund von Feuer gesunken sind. Das waren aber Verkettungen, in denen falsch gehandelt wurde. (Achille Lauro, Star Princess)

Anti-Schiffs-Raketen durchbrechen eventuelle Panzerungen, dringen in das Schiff ein und brechen dort die Schotten auf. Das Ziel ist, das Schiff kampfunfähig zu machen, nicht unbedingt zu versenken. Denn dann muss es abgeschleppt werden und bindet so wiederum Kräfte. Andere Schiffe, die es abschleppen, oder Werften, die es reparieren.

Die Schwarzmeerflotte

Eigentlich hat Russland nicht eine Marine, sondern vier.
Im Osten die Pazifikflotte und im Norden die Nordmeerflotte. Das sind die größten der vier. Ihnen kommt die größte Bedeutung zu, da sie leichter die USA und NATO-Gebiet erreichen können. Im Westen die Baltische Flotte.
Die Schwarzmeerflotte ist die kleinste und gleichzeitig prestigeträchtigste. Das ist historisch bedingt. Stationiert war sie immer auf der Krim (Sewastopol).

Das Schiff

Die NATO benennt Schiffsklassen immer nach dem ersten Schiff, dass gebaut wurde. Die Moskwa hieß früher Slawa. Und da sie 1982 das erste Schiff der Klasse war, spricht die NATO von der Slawa Klasse.
Dass Schiffe über mehrere Jahrzehnte im Dienst sind, ist nicht ungewöhnlich. Entscheidend ist, dass die Waffensysteme erneuert und modernisiert werden können.
Das war auch für die Moskwa geplant. Ob und wie weit das umgesetzt wurde, ist schwer zu sagen.

2009 kam es bereits zu einem Brand eines Generators, der gelöscht werden könnte. (Angeblich ein „terroristischen Bombenanschlag“). Danach war die Moskwa auch in Syrien eingesetzt.

Die Slawa Klasse kann Ziele an Land bis über 400 Kilometer bekämpfen. Das bedeutet, die Moskwa konnte den gesamten Süden der Ukraine beschießen. Sie lag vor Mariupol.
Zudem war die Moskwa das Flaggschiff. Das bedeutet, dass auf ihr auch die Gefechtszentrale für die gesamte Schwarzmeerflotte untergebracht war.

Die Raketen

Starter der ukrainischen R-360 Neptun (Р-360 «Нептун)

Die Ukraine hat angegeben, die Moskwa mit zwei Raketen vom Typ Neptun beschossen zu haben.
Dieses System sollte tatsächlich im ersten Quartal dieses Jahres in Dienst gestellt werden.
Da die Ukraine seit 2014 durch die russische Schwarzmeerflotte bedroht wurde, ist es strategisch naheliegend, ein solches landgestütztes, mobiles System zur Bekämpfung von Schiffen anzuschaffen. Ende 2020 hatte sie ein vollständiges System für 26 Mio. Dollar bestellt.

Wahrscheinlichstes Szenario

Aufgrund der jetzt vorliegenden Informationen gehe ich davon aus, dass die Ukraine tatsächlich die Moskwa bekämpft hat. Ich halte folgendes Szenario für wahrscheinlich:
Die Ukraine hat ihr gerade erst in Dienst genommenes System auf das Flaggschiff ausgerichtet. Sie wird nicht über sehr viel „Munition“ verfügen. Das würde erklären, warum sie „nur“ zwei Raketen und keine ganze Salve abgefeuert hat.

Die Ukraine hat den Beschuss öffentlich gemeldet, bevor Russland reagiert hat.
Russland meldet daraufhin, es habe eine (unfallbedingte) Explosion im Munitionsdepot gegeben. Später meldete es, dass die Moskwa abgeschleppt wird.
Es ist möglich, aber eher unwahrscheinlich, dass eine Explosion in einem Depot ein Überwasserkampfschiff manövrierunfähig macht.

Laut Russland wurde die Mannschaft evakuiert. Über Tote oder Verletzte wurde nichts gesagt. Es ist egal, ob durch einen Unfall oder Beschuss: Es ist auszuschließen, dass ein solcher Vorfall ohne Tote und Verletzte stattfindet.

Anschließend meldet Russland nun, dass die Moskwa gesunken sei. Das wäre beispielsweise möglich, wenn übermäßig Wasser unkontrolliert eingedrungen wäre.
Die Begründung Russlands, dafür sei stürmisches Wetter verantwortlich gewesen, ist nicht glaubwürdig. Es gab in der Zeit kein schlechtes Wetter, Stürme sind auf dem quasi Binnenmeer eher ungewöhnlich.

Fazit

Die russische Schwarzmeerflotte verliert damit nicht nur ihr größtes Schiff der Flotte, sondern auch ihre Gefechtszentrale.
Zudem ist der Verlust auch ein kaum zu überschätzender Prestigeschaden. Noch dazu, da das Schiff den Namen der russischen Hauptstadt trug. Das mag in unserem Verständnis unwichtig sein. Im russischen Verständnis dürfte das eine Demütigung darstellen.
Die russischen (Propaganda-) Meldungen sind weniger für die Welt gedacht, als innenpolitisch.

Ein weiterer Punkt ist für die Ukraine moralisch sicher nicht zu unterschätzen. Am ersten Tag der Invasion ist Funkverkehr veröffentlicht worden. In dem zu hören ist, wie die 13 stationierten ukrainischen Soldatinnen und Soldaten auf der winzigen Schlangeninsel vor der ukrainischen Küste zur Aufgabe aufgefordert wurden. Die Soldaten gelten als Helden, da sie im Bewusstsein ihres Todes („Das wars dann wohl“) geantwortet haben „Fickt Euch“. Das war die Moskwa, das Schiff, das nun zerstört wurde.

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