Osterweiterung: Das Scheinargument der militärischen Bedrohung

Ein Facebook Posting

Der folgende Beitrag wurde heute Mittag als Posting auf der Facebook Fanpage veröffentlicht.
Ich wurde mehrfach gebeten, ihn wegen Barrierefreiheit auch auf der Homepage zu veröffentlichen.

Da es in einer Diskussion in Kommentaren wieder um das Sicherheitsgefühl Russlands geht, möchte ich meine Sicht für alle nochmals erklären.

Russland fühlt sich bedrängt, weil immer mehr Staaten „zum Westen überlaufen“. Das ist sicher richtig.

Weil es diese Staaten dann nicht mehr unter Kontrolle hat. Weil es Einfluss verliert.

Das „Sicherheitsbedürfnis“ ist jedoch ein Scheinargument.
Weil einer Interkontinentalrakete völlig egal ist, ob sie von Alaska, Ramstein oder aus der Ukraine gestartet wird. Und für die „kleineren“ Raketen, die auch nuklear bestückt werden können („Atomsprengkopf“, Tomahawk etc.), ist es auch ziemlich irrelevant. Weil die mobil sind.

Grafik aus einem anderen Posting auf der Facebook Fanpage: Der Radius der Interkontinentalraketen Trident in 5 Minuten.

Die NATO hatte mindestens bis 2001 nicht einmal einen Plan, nicht einmal eine grobe Vorstellung, wie es Russland „angreifen“ könnte oder sollte. So etwas gab es nicht. Weder von Deutschland aus, noch von Polen aus, noch von Lettland aus, noch von der Ukraine aus.
Und ich kann mir schwer vorstellen, dass sich das ausgerechnet in den letzten 20 Jahren geändert haben soll. Selbstverständlich weiß Russland das.

Russland ist eh nicht zu verteidigen. Nachfragen bitte an die Chinesen und Mongolen.
Das ist plattes Land. Wenn man eine Heizung dabei hat, ist der Drops gelutscht.

Die NATO geht nicht hin und lädt die Länder ein und will sie bei sich haben, um Russland leichter angreifen zu können. Sondern die Länder kratzen an der Türe der NATO und nehmen viel auf sich, um Mitglied werden zu dürfen. Weil sie damit Schutz vor dem Einfluss Russlands bekommen und weil sie dadurch Zugang zu Ressourcen bekommen.
Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Es gibt nicht einmal Regularien für einen Angriff.

Russland macht in seiner Propaganda aus der politischen, machtpolitischen und wirtschaftlichen Bedrängung, wie sie unbestreitbar vorhanden ist, einfach eine militärische. Damit das russische Volk glaubt, die NATO stünde mit Messern zwischen den Zähnen an den Grenzen.

Im russischen Staatsfernsehen wird ständig wiederholt, „der Westen“, die NATO oder die USA wollten Russland „vernichten“. Das ist schlicht Schwachsinn. Weil niemand ein solches Riesenreich kontrollieren kann. Nicht einmal Russen.

Und nur ein solcher „Angriff“ könnte Russland dazu bewegen, die NATO nuklear anzugreifen. Denn es hat nur diesen einen Trumpf, den es sicher nicht für die Ukraine, Georgien oder irgendeinen anderen ehemaligen Satellitenstaat ausspielen wird.

In Russland lebt ein Viertel der Menschen ohne Anschluss an die Kanalisation und es ist gerade auf dem Weg vom Schwellenland zum Entwicklungsland. Was sollen wir mit dem Schrott? Erstmal die Infrastruktur ausbauen, damit unsere Firmen dann die Rohstoffe in Sibirien abschöpfen können? Das geht auch so. Oder was glauben die Leute, warum BASF dort Pipelines gebaut hat, und nicht Gazprom? Und warum unsere raffgierigen Unternehmen da Gas zu Diskont-Preisen abgestaubt haben?

Und genau so wurde das Narrativ auch schon in der DDR erzählt.
Ein Oberbootsmann der NVA, der von der Bundeswehr übernommen wurde, hat mir mal gesagt, dass sie jederzeit eine Belegung von 80% in den Kasernen haben mussten. „Hätten wir gewusst, dass ihr hier um 16:30 Uhr Feierabend macht und Freitagsmittags schön ins Wochenende fahrt, wäre alles schon 10 Jahre früher zusammengebrochen.“

Und genau diese russische Propaganda, diese Verzerrung, dieses Verwischen zwischen einer machtpolitischen „Bedrohung“ und einer militärischen Bedrohung, setzt sich in den Köpfen fest. Nicht nur der Russen, sondern all derjenigen, die irgendetwas über „NATO-Osterweiterung“ erzählen. Der größte Propaganda-Coup der Russen. Opferrolle deLuxe.

Und offenbar haben das bis heute einige nicht kapiert oder wollen es nicht kapieren. Es ist wie ein ansteckendes Geschwür, das zwischen den Ohren wuchert.
Die Ukraine hat Russland spätestens (!) im März 2022, also kurz nach dem Überfall, die Neutralität und den Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft vorgeschlagen.
Wobei die NATO-Mitgliedschaft zu keinem Zeitpunkt konkret diskutiert wurde. Alleine schon, weil sie kein Mitglied werden konnte, solange dort „Bürger“-Krieg herrschte.

Es hat den Russen nicht gereicht.

Und ich werde nicht müde es wieder und wieder zu vertreten:
Die angebliche militärische Bedrohung Russlands ist ein bewusstes Scheinargument.

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