Facebook Basics: Hobbyredakteure

Kommunikative Missverständnisse

In einem Posting zu einer Auseinandersetzung mit einem Nutzer auf Facebook habe ich geschrieben, dass dieser Account seit dem Einmarsch Russlands ausschließlich zu diesem Thema postet. Und dass dies reiche „um einmal darüber nachzudenken, ob da nicht psychisch etwas aus dem Ruder läuft“.

Offenbar hatten einige Kommentatoren Schwierigkeiten, das einzuordnen. So etwas habe ich in anderem Kontext bereits mehrfach geäußert. Weil es jeden Nutzer betrifft. Daher ist es vielleicht angebracht, es zu erläutern. Vielleicht regt das den ein oder anderen ja an, über seinen Konsum und sein Social-Media-Verhalten nachzudenken.

Es gibt verschiedene Kommunikationsformen. Als Person kann man zu einer anderen Person sprechen, oder zu vielen. Man kann sich am Tresen mit einem Freund unterhalten, oder auf einer Bühne eine Rede halten.
Die Form der Kommunikation ergibt sich aus dem Kontext. Denn eine Rede wird man ja anders halten, als man mit einer Freundin am Handy spricht.

Auf Facebook gibt es drei Plattformen, die man nutzen kann. Um auf Facebook etwas machen zu können, muss man ein privates Profil erstellen. Dann kann man eine Gruppe gründen, oder eine Fanpage erstellen.

Private Profile sind dazu gedacht, als Privatperson zu kommunizieren. Ziel dieser Kommunikation sind andere „Freunde“. Es ist also eher die Kommunikation der Unterhaltung am Tresen oder am Handy. Das zeigt sich auch daran, dass die Anzahl der Freunde auf 5000 beschränkt ist.
Postings des privaten Profils werden nur sehr begrenzt im Neewsfeed anderer Nutzer ausgespielt.

Bei einer Fanpage ist das anders. Eine Fanpage kann Anzeigen schalten, über ein Impressum verfügen und kann auch in Newsfeeds von anderen Nutzern ausgespielt werden. Es ist also eher die Kommunikation von einem zu mehreren. Also wie bei einer Rede, einer Zeitung oder einem Film.
In Gruppen vernetzen sich Menschen, beispielsweise aus einer Region oder zu einem gewissen Thema. Dort kann jeder sowohl etwas posten als auch kommentieren. Es gleicht eher einer Party, auf der alle durcheinanderquatschen.

Diese grundlegenden Unterscheidungen verschwimmen. Weil die meisten Nutzer sich gar nicht damit auseinandersetzen. Das bemerkt man beispielsweise dann, wenn auf einer Fanpage kommentiert wird mit „Ich mag diese Gruppe“. Was zeigt, dass der ganze Kontext, die ganze Situation der Kommunikation nicht erfasst wurde.
Es ist als würde jemand bei einer politischen Rede im Publikum aufspringen und besoffen schreien „Geile Fete“.

Ständig werden mir Freundschaftsanfragen an mein privates Profil schicken. Die ich selbstverständlich lösche. Das ist, als würde man sich über das Hotel des letzten Urlaubs beschweren wollen, und dafür nach Feierabend auf dem Parkplatz auf die Angestellte des Reisbüros warten.

Doch vielen ist das nicht bewusst, weil diese Grenzen immer weiter aufgeweicht werden. Im deutschsprachigen und skandinavischen Kulturraum sind die recht hart, in den USA eher geringer, in Japan quasi nicht existent.
Doch auch Influencer tragen dazu bei. In meinem „Hauptberuf“ bin ich als Fachjournalist ein Key-Influencer, der durch Fachkompetenz meinungsbildend wirken kann. Viele Influencer, beispielsweise im Modebereich, machen sich aber als Privatperson zur Marke, sie machen sich öffentlich. Sie posten von Abführmitteln bis zur Monatshygiene alles, wofür sie Geld bekommen.
Das führt dazu, dass diese Unterscheidung und Einordnung der Kommunikation erodiert. Und das führt zu fundamentalen Missverständnissen in der Kommunikation, die dem einen vielleicht gar nicht so bewusst sind während sie von dem anderen als übergriffig empfunden werden.

Auch das kann problematisch werden, wie bereits auf der UngeMeve Fanpage vorgekommen. Texte werden einfach kopiert und sogar mit dem (gekauften) Stock Foto selber gepostet. Den „Tätern“ ist gar nicht bewusst, dass sie damit gegen das Urheberrecht und das Copyright verstoßen. Und dass sie sich damit, ohne es zu merken, mit großen Firmen anlegen können. (Das bei mir „geklaute“ Bild stammte beispielsweise von Adobe, einer milliardenschweren Aktiengesellschaft.)

Selbstverständlich kann, darf und soll jeder auch auf seinem privaten Profil beispielsweise Beiträge zu politischen Themen oder Beiträge seines liebsten Musikers teilen.
Postet er aber über Wochen und Monate hinweg ausschließlich zu einem bestimmten Thema, stimmt da ganz grundlegend kommunikativ etwas nicht. Die Motivation ist nicht in Übereinstimmung mit der Art der Kommunikation. Und es ist völlig egal, welches Thema ihn so beschäftigt.
Abgesehen von Querdullis, die ausschließlich über Corona, Wirtschaftsflüchtlinge und Putin posten. Die werden entweder dafür bezahlt oder es leuchten wirklich nicht mehr alle Birnen in der Lichterkette.

Wenn jemand auf meiner Party von Tisch zu Tisch geht, eine Rede über verhungernde Kinder hält und beginnt mit „Ich bedanke mich bei meiner Mutter, bei der Academy, meinem Manager, bei dem großartigen Regisseur…“ würde ich ihn rausschmeißen.
Genau das tun Menschen, die ihr privates Profil für so etwas „missbrauchen“. Und für den Ersteindruck ist es unerheblich, ob derjenige sich einfach nicht bewusst darüber ist, oder ob er wirklich eine Delle am Helm hat.

Wenn jemand durch den Krieg in der Ukraine so angefasst wird, dass er das Gefühl hat sich fortlaufend dazu äußern zu müssen, hat er verschiedene Möglichkeiten. Er kann eine Gruppe Gründen oder beitreten, kann eine Fanpage einrichten oder eine eigene Internetseite starten. Twitter wäre auch naheliegend.
Es ist nachvollziehbar, dass ein Nutzer glaubt, sein Facebook Profil sei so etwas wie eine eigene Homepage und er versucht es auch so zu führen. Und gar nicht merkt, dass er damit etwas neben der Spur läuft. Tatsächlich sind das wohl die meisten Nutzer.

Bei einem privaten Profil ist zu erwarten, dass es sich an Freunde richtet und die Realitäten des eigenen Erlebnishorizonts abbildet. Und die besteht bei einer Steuerfachangestellten aus Wanne-Eikel nun einmal nicht in Krieg oder Klimawandel.

Und deshalb bleibe ich bei meinen Aussagen:
Die Menschheit ist nicht bereit für Netz 2.0. Und das wird böse enden.
Postet jemand über Wochen und Monate auf seinem privaten Profil nur zu einem Thema, sollte er darüber nachdenken, „ob da nicht psychisch etwas aus dem Ruder läuft“. Und damit meine ich nicht, dass es „psychisch krank“ ist, sich Gedanken über den Krieg, das Klima, Corona oder sonst etwas zu machen. Sondern dass es nicht dem sozio-kulturellen Kontext entspricht, wie man darüber kommuniziert.

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