Beispiel: Russische Propaganda – Ukrainische Nazis

Tausendfache Nadelstiche

Bundeskanzler Scholz hat heute Morgen mit Putin telefoniert. Danach twitterte er drei Statements:

  • Es muss schnellstmöglich einen Waffenstillstand geben.
  • Russland hat eine Verantwortung für die globale Lebensmittellage.
  • In der Ukraine herrschen keine Nazis.

Daraufhin setzte der Account „Sternenhimmel“ den unten gezeigten Tweet ab.
„Sternenhimmel“ hat etwas gegen Impfpflicht, hält Medien für Propaganda, ist gegen Waffenlieferungen und lehnt die Grünen ab. Laut Selbstauskunft eine Frau in den Zwanzigern.
Die ARD habe bezüglich der Nazis in der Ukraine „vor paar Jahren“ anderes berichtet. Vereinfacht gesagt: In der Ukraine sind eben doch Nazis „an der Macht“. Natürlich schwammig formuliert und nicht zu widerlegen rhetorisch verpackt.

So wird russische Propaganda multipliziert und manifestiert. Hundertfach, tausendfach.
Man kommt mit Richtigstellungen nicht hinterher. Der Splitter des Framings und des Primings ist leicht gesetzt. Kaum jemand macht sich die Mühe es zu prüfen.

Die tatsächlichen Fakten sind:

Nach dem Umsturz durch die Proteste des Euromaidan wurde eine Übergangsregierung gebildet. An dieser vorläufigen Regierung waren auch die rechtspopulistische und nationalistische „Allukrainische Vereinigung Swoboda“ beteiligt. Namentlich ihr Vorsitzender Oleh Tjahnybok. Die Partei wird auch als rechtsextremistisch, antisemitisch und neonazistisch eingeordnet.

Bei der anschließenden Wahl erreichte die Swoboda keine 5 Prozent und war mit 6 von 450 Sitzen im Parlament vertreten. Bei der Präsidentschaftswahl erreichte Oleh Tjahnybok 1,4%.
Bei der Parlamentswahl 2019 bekam die Swoboda 2,4% und erhielt durch ein Direktmandat einen Sitz von 450.

Im Bürgerkrieg im Donbass kämpften auf beiden Seiten Söldnertruppen bzw. Milizen. Dies ist im osteuropäischen Raum nach wie vor gang und gäbe.
Auf Seiten der Ukraine kämpft das inzwischen bekannt gewordene Regiment Asow. Auch die Swoboda stellte ein eigenes Bataillon namens „Sitsch“ auf. Beide muss man sicher als mindestens nationalistisch einordnen. Sie sind jedoch nur ein geringer Teil der Streitkräfte.

Dies wird von der russischen Propaganda so instrumentalisiert, dass in der Ukraine „Nazis“ an der Macht sind. Völlig ignorierend, dass auf russischer Seite unter anderem die Gruppe Wagner (Группа Вагнера) aktiv ist. Die Söldnertruppe wird geführt von dem bekennenden Nationalsozialisten Dimitri Utkin (SS Kragenspiegel als Tätowierungen) und unterhält direkte Verbindungen zu Putin.
Darüber hinaus unterhält Putin eine russische „Privatarmee“ und es wurden auch die tschetschenischen, islamistischen Kadyrowtzy eingesetzt.

Putin Mitte, der Neonazi und Söldnerführer Utkin rechts

Im Verständnis der russischen wie auch ukrainischen Bevölkerung ist der Begriff des „Nazi“ durch die jahrzehntelange Propaganda aufgeladen und anders besetzt. Während es im Westen eher als konkrete und klar definierte politische Strömung verstanden wird, liegt es im Osten näher jeden als „Nazi“ zu bezeichnen, der etwas gegen das eigene „Vaterland“ hat.

In der Ukraine sind weder „Nazis“ in irgendeiner Form an der Macht. Noch sind relevante nationalsozialistische Bewegungen zu erkennen.
Es gibt eine nationalistische Strömung. Die muss aber vor dem Hintergrund der Emanzipation von Russland beurteilt werden.
Ein Antisemitismus, der zwingend zum Nationalsozialismus gehört, ist nicht zu erkennen. Sowohl Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Ministerpräsident Denys Schmyhal sind jüdischer Abstammung.

Diese Einordnung wird durch die Propaganda bewusst ignoriert.

Postscriptum: Das Leugnen von Fakten war noch nie strafbar. Falsche Tatsachenbehauptungen können strafbar sein.
Pps.: Die holprige Formulierung legt den Verdacht nahe, dass es sich um einen bezahlten Propaganda-Troll handelt und nicht um eine junge Frau.

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