Nachtrag: Wahl in Frankreich

Franzosen tun, was Franzosen so machen

Aufgrund einiger Kommentare habe ich den Eindruck, dass es Missverständnisse und Fehlinterpretationen zur gestrigen Präsidentschaftswahl in Frankreich gibt. Das möchte ich kurz aufgreifen.

In Deutschland wählen wir die Zusammensetzung des Bundestages. Dieser Bundestag bestimmt dann den Bundeskanzler und den Bundespräsidenten.
Das Verfahren ist einerseits direkter. Da die Anteile aller Stimmen der Wählerinnen und Wähler auch einen direkteren Anteil darin finden, wer welche Koalition schließen kann. Andererseits ist es indirekter, weil man mit seiner Stimme weniger Einfluss darauf hat, wer am Ende nun Bundeskanzler wird.
Der Deutsche wählt ein Wahlprogramm, keine Person.

Ganz persönlich finde ich das Prinzip besser und gerechter. Da die direkte politische Einflussnahme der einzelnen Stimme damit größer ist. Vorteilhaft empfinde ich auch, dass ein „Personenkult“, wie in den USA, damit eingeschränkt wird.
Das ist komplizierter, weshalb Rechtspopulisten gerne eine direktere Beteiligung fordern. Obwohl die Einflussnahe durch die eigene Stimme in diesem System größer ist.

In Frankreich hat der Präsident weit mehr Macht. Es gibt auch einen Premierminister, die Regierung wird aber durch den Präsidenten bestimmt. Vereinfacht: Frankreich wählt seinen König, dem ein Parlament zur Seite steht.
Das ist in Frankreich tradiert, die französische Demokratie ist älter als die deutsche und damit näher am System der Monarchie. Frankreich ist also verfassungsmäßig bereits weiter rechts.

Daher wählt Frankreich einmal das Parlament, bestehend aus Nationalversammlung und Senat, und einmal den Präsidenten. Die Wähler haben damit weniger direkten Einfluss auf die Gesetzgebung.

Die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen bei der Präsidentschaftswahl gehen im zweiten Wahlgang in eine Stichwahl. Das bedeutet, alle anderen Wählerstimmen sind damit wertlos.

Das ist im Kern also schon ein großer Unterschied zu Deutschland und fordert ein anderes Verständnis. Denn hier kann man beispielsweise auch der FDP seine Stimme geben und man kann trotzdem davon ausgehen, dass seine Stimme einen Einfluss auf die Politik und Gesetzgebung haben kann. Wie man bei der aktuellen Regierung sieht. Die FDP stellt unter anderem den Finanzminister, obwohl sie nur 11,5 Prozent der Stimmen hatte.
Und genau deshalb sage ich des Öfteren, dass Stimmen für die AfD eigentlich verschwendet sind. Weil die AfD nicht koalitionsfähig und -willig ist. Sie könnte also erst relevant Einfluss nehmen, wenn sie 51 Prozent aller Stimmen bekommen würde.

Einige Kommentatoren gehen davon aus, dass
die Nähe zu Putin Le Pen Stimmen gekostet hat.

Im ersten Wahlgang zur Präsidentschaft bekam der amtierende Präsident Macron (Liberale, vergleichbar FDP) 27,8 Prozent der Stimmen. Marine Le Pen (Rechtsextreme, vergleichbar AfD) bekam 23,2 Prozent der Stimmen. Der Drittplatzierte war Mélechon (Linke), seine 21,7 Prozent sind verfallen wie die aller anderen Parteien. Was etwa die Hälfte aller Stimmen sind.

In der gestrigen Stichwahl zwischen Le Pen und Macron hat der amtierende Präsident nun etwa 58 Prozent der Stimmen bekommen und Le Pen etwa 41 Prozent. Damit wurde Macron wiedergewählt.

Ich habe in einem lapidaren Posting kommentiert, dass auch ich nicht gedacht hätte, dass Le Pen derart „abschmiert“. Mit einer Wiederwahl Macrons hatte ich recht sicher gerechnet.
Damit meine ich, dass die Ergebnisse der ersten Wahl und Umfragen nahegelegt hatten, dass die beiden relativ nahe beieinander sind. Daher gab es auch so viele Berichte darüber, die Besorgnis war groß. (Die Umfragewerte lagen deutlich eher bei 10 Prozent, aber damit macht man keine Klicks.)
Letztendlich hat Le Pen nun aber fast 17 Prozent weniger Stimmen bekommen. Was sehr eindeutig ist.

Der Schluss, dass dennoch über 40 Prozent der Franzosen eine Rechtsradikale gewählt haben, ist daher verzerrt. Denn sie hatten ja nur die Wahl zwischen einer Wiederwahl des Liberalen oder der Rechtsradikalen.
Eine solche Stichwahl gibt nicht zuverlässig ein Verhältnis im Land wieder. Denn viele werden den einen Wählen, um den anderen zu verhindern. Es gab beispielsweise Erhebungen, dass viele von den Links-Wählern ihre Stimme lieber Le Pen geben würden, als dem liberalen Macron.

Interessanterweise hat Le Pen in den Kolonien Martinique, Guadeloupe, Reunion und auf Korsika gewonnen. Also überall dort, wo man ein hohes Engagement für eine französische Kulturidentität erwarten kann. Verloren hat sie vor allem dort, wo große Städte sind.
Macron wird bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten dürfen.

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