Affenpocken nur in Ländern mit hoher Impfquote

correlation is not causation

Ein Leitsatz der Wissenschaft, den jeder Student empirischer Wissenschaften in den ersten Semestern lernen muss: „correlation is not causation“. Korrelation ist keine Ursache.

Eine Korrelation (Co-Relation) liegt vor, wenn zwei Dinge scheinbar gleichzeitig passieren. Sie beschreibt die Beziehung von Ereignissen oder Merkmalen zueinander. Beispielsweise dass bei Regen mehr Unfälle passieren oder im Sommer mehr Menschen ertrinken.
Ein Ursache (Kausalität) ist ein Grund, warum etwas passiert.

In den beiden Beispielen hängt das eine mit dem anderen zusammen.
Bei Regen haben Autofahrer eine schlechtere Sicht, der Bremsweg verlängert sich, Straßen werden rutschig. Es ist logisch, dass das zu mehr Unfällen führt. Und da im Winter selten Menschen in Flüssen baden gehen und Freibäder geschlossen sind, ist es auch logisch, dass im Sommer mehr Menschen ertrinken.

Vorsicht Falle!

Aber das beinhaltet auch eine Falle. Denn manchmal sehen wir eine Korrelation, also zwei Ereignisse, und kommen dadurch zu falschen Schlussfolgerungen. Denn der Mensch ist nicht angeboren logisch, sondern ein emotional gesteuertes Wesen. Wir nehmen Dinge als richtig an, nur weil sie uns logisch erscheinen.
Der „gesunde Menschenverstand“ ist gespickt mit Tretminen. In der Psychologie bezeichnet man die als kognitive Verzerrungen oder Bias.

Mein liebstes Beispiel und wohl eine wahre Geschichte (vom Freund erzählt), die ich immer wieder anbringe, um das zu verdeutlichen:
Eine Lehrerin fragte ihre Grundschulklasse, woher der Wind kommt. Ein Mädchen meldet sich aufgeregt und erklärt altklug, dass die Bäume den Wind machen. Auf Nachfrage der verdutzten Lehrerin erklärte der Dreikäsehoch weise nickend, dass immer, wenn die Bäume sich bewegen, dann auch der Wind kommt.

Das ist eigentlich für eine Grundschülerin sehr schlau. Sie hat zwei Beobachtungen gemacht und die in einen Kontext zueinander gesetzt. Sie hat eine Korrelation erkannt. Leider hatte sie nicht alle Informationen und ist dadurch zu den falschen Schlüssen gekommen.

Das ist auch der Grund für den Namen dieses Blogs.
Nur wenn wir alle nötigen Informationen Besitzen, können wir die richtigen Schlüsse ziehen. Haben wir sie nicht, kommen wir zu den falschen Ergebnissen. Es gibt keine angeborene Intuition, die es uns ermöglicht, „selber zu denken“. Deshalb sollte man skeptisch werden, sobald uns jemand dazu auffordert.

Die Grafik der WHO

Heute verlinkte eine Leserin auf der Facebook Fanpage unter einem Beitrag zu Affenpocken eine Karte der Weltgesundheitsorganisation WHO, die zeigt, dass alle Fälle von Affenpocken in Ländern mit „hoher Impfquote“ passieren. Das sollte offenbar als Beweis dienen, dass das Affenpocken-Virus gezielt in den westlichen Ländern in Umlauf gebracht wurde. Oder irgendwie mit der Corona-Impfung im Zusammenhang steht. Oder was auch immer.

Die erste falsche Annahme ist, dass dies in Ländern mit „hoher Impfquote“ passiert. Japan hat beispielsweise eine höhere Impfquote als Deutschland. Und China dürfte zu den weltweiten Spitzenreitern gehören. In Indonesien gibt es eine Impfpflicht, in Ecuador sogar ab dem fünften Lebensjahr. In keinem der Länder ist bisher ein Fall gemeldet worden.
Vom derzeitigen Ausbruch sind nur europäische und nordamerikanische Länder und Australien betroffen. Es gibt also scheinbar nicht einmal eine Korrelation zur Impfquote. Also auch keine Kausalität.

Die Meldungen

Ein viel größeres Problem für diese These ist aber, dass Affenpocken gar nicht in allen Ländern erfasst werden.
Denn das Affenpocken-Virus ist ja vor allem in Zentral- und Westafrika verbreitet. Wonach auch die beiden Varianten unterschieden werden. Und viele der dortigen Länder gehören zu den ärmsten der Welt.

Nehmen wir als Beispiel die Demokratische Republik Kongo.
Im Kongo leben 91 Millionen Menschen. Mehr als in Deutschland. Die Gesundheitsausgaben des Kongo betrugen 2005 weniger als weniger als 900.000 Euro. Weniger als hier eine einzige Krebs-Therapie kostet. 2009 betrugen die Gesundheitsausgaben laut WHO drei Dollar pro Person. Im ganzen Jahr.
Im ganzen Kongo sind derzeit 85 Kinderärzte gemeldet, 50 davon in der Hauptstadt Kinshasa.

Einzelfall?
Ok, schauen wir in den Niger. Da müssen Gesundheitsleistungen im Voraus bezahlt werden. Etwa jeder zwanzigste Säugling stirbt. Auf einen Arzt kommen etwa 9000 Menschen.
In der Zentralafrikanischen Republik sterben sogar 80 von 1000 Säuglingen. Eine Gesundheitsversorgung gibt es im Grunde gar nicht.
Die Liste ist beliebig fortsetzbar. Wobei es den Ländern in Westafrika durchschnittlich noch besser geht als in Ostafrika.

Dort werden solche Krankheiten wie Malaria, AIDS, oder eben auch Affenpocken gar nicht erfasst. Dort gibt es ja nicht nur kaum Ärzte. Es gibt ja auch niemanden, der so etwas erfassen könnte. Häufig nicht einmal Telefone, um einen Ausbruch zu melden. Ebola, Lungenpest… da finden Epidemien statt, die vielleicht nicht einmal bemerkt werden. In vielen Ländern gibt es kein Meldesystem, also auch kein Sterberegister oder ähnliches.

Fazit

Und das zeigt vielleicht, wie absurd die Schlussfolgerung ist, Affenpocken würden nur in westlichen Ländern auftreten. Geschweige denn in Ländern mit hoher Impfquote.
Man weiß schlicht und ergreifend nicht, wie häufig die Krankheit in anderen Ländern auftritt.

Und so muss man es auch logisch korrekt formulieren:
Die Grafik der WHO zeigt nicht die Ausbrüche. Sondern die Meldungen der Ausbrüche. Und das ist ein weiter Unterschied. Gemeldet, erfasst und ausgewertet werden die nur in so reichen Ländern wie Deutschland, die sich das auch leisten können.

Korrelation zeigt nicht zwangsläufig eine Kausalität. Correlation does not imply causation.

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