Wie die USA Bin Ladens Nachfolger töteten

Kein stumpfer Bombenhagel – eine nachrichtendienstliche Aktion

Das Höllenfeuer

Ab da werden die Informationen wieder spärlicher. Doch wer die Vorgehensweise und Waffensysteme kennt, kann es sich zusammenreimen.

Eingesetzt wurde eine MQ-9 Reaper („Sensenmann“) Drohne. Diese Drohnen sind so groß wie kleine Flugzeuge (Bild). Auch Australien, Italien, UK, Belgien, Frankreich, Spanien und andere besitzen diese Drohnen.

Sie können verschiedene Waffen tragen. In diesem Fall wurde eine AGM-114 Hellfire eingesetzt.
Die kann verschieden ausgestatten sein, ähnlich wie ein Auto auch als Limousine oder Coupe herausgebracht wird. Sie muss keine große Sprengkraft haben. Es gibt beispielsweise auch eine thermobarische Version, die Häuser eher „ausbrennt“ als sie zu zerstören. Sie ist vergleichbar klein, kaum 160 cm hoch und hat weniger Durchmesser als die kurze Seite eines DinA4 Blattes.

Edit 04.08.22: Aufmerksame Leser haben darauf hingewiesen, dass in diesem Fall zwei Hellfire Raketen eingesetzt wurden. Laut Wall Street Journal handelte es sich um die Version R9X. Diese Variante hat keinen Sprengkopf, sondern klappt kurz vor dem Auftreffen auf das Ziel sechs lange Klingen aus. Diese können durch die Wucht auch Autodächer durchschlagen.

Die hauptsächliche Verwendungen ist ein Laserlenksystem. Was bedeutet, dass die Rakete erstmal grob in eine Richtung geschossen wird. Ein Team am Boden muss dann das Ziel mit einem Laser markieren. Im Deutschen spricht man von einer „Zielbeleuchtung“. Die Rakete geht dann auf den Zentimeter genau auf den markierten Punkt.

Optimalerweise möglichst senkrecht von oben. Sie fliegt also weiter in größerer Höhe Richtung Ziel und zieht dann von oben herunter. Das hat den einfachen Grund, dass Panzerungen von Schiffen, Gebäuden und Fahrzeugen oben am schwächsten sind. Außerdem ist so noch schwerer zu erkennen, wohin der FK (Flugkörper) fliegt und woher er kam.

Jemand muss das Ziel markieren

Die USA haben offiziell gesagt, dass sich keine „officials“ auf afghanischem Territorium befinden. Aber irgendjemand muss das Ziel mit dem Laser anvisiert haben. Die Aussage ist Auslegungssache.

Das Anvisieren geschieht über kleine, tragbare „Laserzielbeleuchter“. Also Laserpointer, die das Ziel markieren.
In einigen Veröffentlichungen ist zu lesen, dass die Drohne von der CIA war. Genau dafür unterhalten viele Nachrichtendienste, die mehrheitlich eigentlich aus Akademiker und „Sesselfurzern“ bestehen, auch ausgebildete Soldaten.
Aber der Einsatz soll – auch laut US-Offiziellen – ausdrücklich mit Hilfe von Spezialkräften („special forces“) geführt worden sein. Das bedeutet des Militärs.

Anbieten würden sich dafür die Navy Seals (Deutschland: Kampfschwimmer) oder die Delta Force (Deutschland: Kommando Spezialkräfte KSK).
Diese könnten dann entweder in einer Nacht- und Nebelaktion, beispielsweise per Fallschirm, in ausreichender Entfernung zum Ziel gelangen. Doch das ist in einer dicht besiedelten Stadt wie Kabul eher unwahrscheinlich.

Wahrscheinlicher ist, dass die Zielsucher als Diplomaten oder Zivilisten mit nachrichtendienstlichen Mitteln eingeschleust wurden.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Ziel seit mindestens vier Wochen identifiziert war. Und die Freigabe eine Woche vorher erfolgte. Es war Zeit. Man darf davon ausgehen, dass dieses Team – und vermutlich ein zweites – bereits länger in Kabul waren.

Der Einsatz

Sicher wurde al-Zawahiri  bereits vor Wochen identifiziert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde er bereits seit mehreren Wochen genau beobachtet. Dabei wurde klar, dass er das Haus nicht verlässt, sich aber gerne auf dem Balkon (Terrasse?) aufhält.

Ein Team (zwei?) wurde eingeflogen. Nach der Freigabe von Biden persönlich wurde auf den richtigen Moment gewartet.

An einem frühen Morgen des vergangenen Wochenendes trat der Nachfolger von Osama bin Laden auf seinen Balkon.
Das in Stellung gebrachte Team gab Meldung. Eine Drohne, von denen vermutlich ständig mehrere in der Luft waren, feuerte eine Hellfire ab.
Das Team am Boden schaltete kurz den Laser auf das Ziel auf. Fire and Forget, sobald die Rakete es erkannt hatte, konnte man schon wieder einpacken und sich zum vereinbarten Evakuierungspunkt begeben.
Die Rakete erkannte ihr Ziel und flog um 06:28 Uhr Ortszeit senkrecht von oben auf einen Balkon in Kabul. Und auf Aiman al-Zawahiri.
Er dürfte nichts gespürt haben. Keine weiteren Verletzte.

Taliban sind nicht al-Qaida

Im lokalen Rundfunk wurde durch die Taliban anschließend erklärt, die Rakete hätte ein leerstehendes Haus getroffen.

„Die Biden-Administration verkündete hingegen, dass schon kurz nach dem Anschlag Kämpfer des Haqqani-Netzwerks, eines extrem gewalttätigen Flügels der Taliban, Sawahiris Familie vom Ort des Geschehens verjagten und sich bemühten, seine Anwesenheit zu vertuschen.“

Matt Murphy, BBC News, bbc.com, 02.08.22

Same old story

Wer das nun für Science-Fiction hält, der ist ein wenig „outdated“.

Tom Clancy schrieb vor allem Romane mit dem Protagonisten Jack Ryan. Doch er war auch der erste, der an Bord eines Atom-U-Bootes durfte, um darüber ein Sachbuch zu verfassen.

Er beschrieben genau einen solchen Angriff bereits 1989 in seinem Roman „Der Schattenkrieg“. Der 1994 unter dem Namen „Das Kartell“ u.a. mit Harrison Ford und Willem Dafoe verfilmt wurde.
Dabei ging es aber nicht um einen Terroristen in Asien, sondern um die Zerstörung eines ganzen Hauses in Südamerika, in dem sich Drogenbarone treffen.

Das war auch damals schon keine Science Fiction. Sondern State of the art. Solche lasergesteuerten Angriffe sind seit spätestens 2009 unabhängig nachgewiesen, die Hellfire wird seit 1984 produziert.

Es ist letztendlich egal, ob sie von einer Drohne aus abgefeuert wurde.
Das ist lediglich eine Verkürzung der Medien.

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