Von der Dummheit, Torten und Querdenkern

Langeweile-Philosophie am Sonntag

Einmal das Spar-Menü 3 mit Cola

Und das führt zum zweiten Aspekt, den man betrachten sollte.

Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, in der alle einen akademischen Abschluss haben. Alle haben einen Doktor. Trotzdem müsste ja irgendwer weiter Taxis fahren oder Nägel lackieren. Nur das würden dann eben die Doktoren der Tanzpädagogik machen. Man kann also von einem Status nicht zwangsläufig auf Intelligenz schließen. Es ist ein Indikator, aber eben kein Nachweis.

Was sagt man zu einem Sozialpädagogen im Anzug?
„Einmal das Spar-Menü 3 mit Cola, bitte.“
Ba Dumm Tsss.

Jede Gesellschaft organisiert sich hierarchisch. Das fängt bei Erdmännchen an und hört bei Bonobos auf. Und da der Mensch ein Rudeltier ist, kann für ihn nicht plötzlich etwas anderes gelten.
Das sind moralinsaure Träume von Frauen mit Kettchen an der Brille und Doppelnamen, die Psychotherapeutin werden wollten um anderen Frauen zu helfen und dann im Statistikteil verkackt sind.

Der Letzte im Völkerball-Team

Das ist genau das, was in unserer Gesellschaft aus falsch verstandenem Moralempfinden gerade passiert. Es ist die zwanghafte Gleichmacherei. Anstatt dafür zu sorgen, dass auch jene auf der untersten sozialen Leitersprosse partizipieren. Die es immer geben muss. Das bedeutet für mich persönlich Inklusion.

Inzwischen machen etwa 50 Prozent der Schulabgänger Abitur. In Schleswig-Holstein waren es 2020 62 Prozent. Da muss die Frage erlaubt sein, ob plattes Land und Krabbenpuhlen soviel intelligenter machen. Oder ob die Hürden einfach nur runtergeschraubt wurden.

Bei den Bundesjugendspielen meiner Kindheit gab es eine Sieger- und eine Ehrenurkunde. Wer nicht einmal die Siegerurkunde bekam, hatte halt verschissen. Inzwischen gibt es auch Teilnahmeurkunden, damit auch jedes Kind eine Urkunde bekommt. Als wenn das in der Wahrnehmung der Kinder irgendeinen Unterschied machen würde. Dann sind halt die mit der Teilnahmeurkunde die, die als letztes beim Völkerball ins Team gewählt werden.

Lernen zu scheitern

Es muss die Frage erlaubt sein, ob das zielführend ist.
Ist es zielführend ein Kind anzulügen und zu sagen, dass es alles werden kann, was es will? Wenn man doch genau weiß, dass es das eben nicht kann? Völlig unabhängig von sozialer Ungerechtigkeit?

Kinder müssen lernen zu scheitern. Das ist eine Fähigkeit, die trainiert und erlernt werden muss.
Wer wird wohl besser klarkommen: Der Hauptschüler, der nach dem dreißigsten Bewerbungsschreiben eine Einladung bekommt, oder der Hauptschüler, der aus für ihn unverständlichen Gründen kein Rapper wird. Oder keinen Job als Sales Manager Head of Online Marketing bekommt, obwohl er 273 Follower auf Instagram hat?
Was passiert psychisch wohl mit denen, die in einer Casting Show auftreten, weil ihr Umfeld ihnen immer gesagt hat, dass sie ganz toll singen können?

Alleine die Tatsache, dass sich jemand öffentlich äußert…

Kommen wir also zurück auf das Zitat von Heidi Kastner. Die Dummheit hat aufgehört sich zu schämen.
Die Beispiele für die Äußerungen von Querdullis auf Social Media würden hier jeglichen Ramen sprengen. Sie haben alle eins gemein. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Menschen ohne jegliche Kompetenz argumentieren öffentlich gegen Menschen mit deutlich höherer Kompetenz. Alleine das kann man als Dummheit bezeichnen.

Denn dabei geht es ja nicht darum, ob der Maurer nun ein selbstbestimmtes und sogar erfolgreiches Leben führen kann. Oder ob er vielleicht sogar insgesamt intelligent ist. Sondern ob er die fachliche Kompetenz besitzt. Ob er diese eine, entscheidende Intelligenz besitzt.
Das Zitat ist eine Zustandsbeschreibung.

Die Zustandsbeschreibung

Und jahrelanges Fragen und abtesten hat mich zu der Überzeugung gebracht: Der Kommentator hat die Kompetenz nicht. Nie.
Alleine schon die Tatsache, dass sich jemand öffentlich auf Social Media über bestimmte Aussagen oder wissenschaftliche Erkenntnisse äußert, ist meist schon ein guter Indikator für Dummheit. Weil das bei den weniger Dummen nämlich ganz anders abläuft.
Ich kenne Professoren und Doktoren aus meinem Fachbereich. Selbst wenn sie einer Studie widersprechen, sehen die Tweets überraschend anders aus.

Mein persönliches Stichwort sind die Kochschen Postulate. Die eigentlich ganz anders heißen und vor der Erfindung des Elektronenmikroskops formuliert wurden. Man Viren also nicht einmal sehen konnte.
Trotzdem versuchten in einer Modewelle, der Querdullis unterliegen, etwa Mitte 2021 viele Kommentatoren aufgrund der falschen Bezeichnung „Kochschen Postulate“ zu erklären, warum PCR Tests keine Corona-Infektion nachweisen. Obwohl die Polymerase-Kettenreaktion der Gold-Standard ist, von Vaterschaftstests bis zur Kriminalistik, von Erbkrankheiten bis zur Ahnenforschung.
Es war lächerlich. Eine simple Frage ließ die Luft raus.

Der Hamlet Monolog ist kein Zeichen von Intelligenz

Ich finde, man sollte Dummen sagen, wenn sie dumm sind. Oder sich dumm verhalten.
Nach dem dritten Bier werde ich sicher nicht schlauer werden und ergebe mich meinem Schicksal der Dummheit diesen Artikel zu schreiben. Womöglich bin ich so bekloppt ihn zu veröffentlichen. Wo ist das Problem?

Das fällt mir leicht. Denn als Kind wurde mir ständig gesagt, wie scheiß voll schlau ich ja angeblich bin. Was schlicht zu einer Erwartungshaltung geführt hat, die ich nicht erfüllen wollte. Und das führte dann zu einer Ungleichbehandlung, die ich als zu tiefst ungerecht empfand. Ich wollte nicht schlau sein. Es hat mich Jahrzehnte gekostet mich zu emanzipieren. Und ein paar Jahre auf Hartz IV in einem 34m³ Wohnklo erden überraschend nachhaltig.
Ich bin bis heute völlig kacke in Mathe. Weil jeder Furz im Unterricht für einen Mädels-Tisch wieder und wieder erklärt wurde, was mir das Interesse an Mathematik so nachhaltig versaut hat, dass es bis heute eine Sprache geblieben ist, die ich nicht spreche.

Und tatsächlich habe ich dadurch verstanden, dass ich gar nicht so schlau bin. Für mich beruhigend.
Ein freundschaftlich Bekannter von mir ist eigentlich Arzt. Stumpfes Auswendiglernen, sagt er selbst. Hätte ich nie gekonnt.
Viele denken vielleicht, dass ich das inhaltlich nicht hätte erfassen können. Aber ich lese zum vergnügen die Nikomachische Ethik oder habe beim Bund aus Gag den Hamlet-Monolog auswendig gelernt um auf Partys strunzen zu können. (Sein oder nicht sein… Eine besoffene Wette, idiotisch.)

Ich hätte nicht die Fähigkeiten und Kompetenzen besessen, mich durch diesen für mich völlig langweiligen Scheiß eines Medizin-Studiums durchzuarbeiten.
Das ist keine Arroganz. Im Gegenteil. Es ist auch per wissenschaftlicher Definition lupenreine Dummheit. Denn sich da durch zu beißen ist eine der Kompetenzen, die Intelligenz fordert. (Und zu wissen ob man „durchzubeißen“ zusammenschreibt auch.)

Und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, kann ich heute angeregt mit Doktoren diskutieren. Oft schnell freundschaftlich. Und sie auch mal mit Bauernschläue überraschen. Weil ich ihre Leistung hochachte und mich selbst trotzdem nicht kleiner mache. Ich bin der Maurer, das ist ok für mich.

Tatsachen und Faschismus

Und nun bekomme ich seit Jahren immer wieder die Kritik, dass ich überheblich sei. Sprach ich die offensichtliche Dummheit den erwähnten Querdullis gegenüber aus, wurde ich mehrfach als faschistoid bezeichnet.
In meinem Weltbild bin ich das Gegenteil.

Denn der Maurer ist in meinen Augen nicht per se dümmer. Vermutlich verdient er mehr als ich und zahlt keine Miete, weil er sich ein eigenes Haus gebaut hat. Was um Längen intelligenter ist, als ich es bin. Würde ich den als dumm bezeichnen, wäre ich nicht besser als der Architekt, der den Handwerkern beim Einbau seiner Küche schlaue Tipps gibt. (Dann mach es doch selber, du Wichswichtel.)

Gnṓthi seautón

Im Zeitgeist wird Heidi Kastners Zitat gerne so verstanden, dass Dumme den Rest des Lebens mit gesenktem Kopf herumlaufen sollten. Sie sollen sich etwas schämen dumm zu sein. Doch das ist ja gar nicht damit gesagt. Die allermeisten Menschen sind furchtbar dumm.
Die entscheidende Dummheit beginnt erst da, wo der Maurer versucht, eine Studie zu widerlegen. Und da ist jede Scham verloren gegangen.

„Querdenken“ ist bereits so ein selbstwertdienlicher Euphemismus. Denken tun alle gleich. Und „quer“ beschreibt immer nur eine Bewegung in zwei Dimensionen. Querdenker reden sich nur ein, etwas besonderes zu sein. Um ihre Kompetenzlosigkeit zu argumentieren. Und sich psychologisch erhaben zu fühlen. Ich weiß mehr, Ihr Schlafschafe!!!

Der Stoizismus, Konfuzianismus und fernöstliche Philosophie haben dafür eine naheliegende Lösung. Der reichste Mann ist der, der am wenigsten begehrt. Hör auf dich messen zu wollen. Bescheide dich, begnüge dich. Du bist nur eine Ameise in einem Haufen. Hör auf mehr sein zu wollen. Und lebe ein glückliches und erfülltes Leben.

Mein erstes Tattoo war die zweite apollonische Weisheit. „Gnṓthi seautón“, „Erkenne dich selbst“.
Pflanze einen Baum, bekomme Kinder, sei nett zu Mitmenschen. Und wenn Du Klofrau wirst, dann werde die gewissenhafteste und beste Klofrau. Oder such dir einen anderen Job.
Das ist alles. Mehr gibt es nicht zu erreichen. Das höchste Glück ist die Sorglosigkeit.

Und hör verfickt nochmal auf, Dinge auf Social Media widerlegen zu wollen, die Deine Kompetenz weit, weiiit übersteigen. Denn genau da beginnt die eigentliche Dummheit. Die Hybris, die Selbstüberschätzung.

Und nach einigen Jahren Diskussionen ist es mir nicht mehr möglich, etwas anderes zu sagen als: Halt die Fresse, Vollidiot.

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